Würdigster, vortrefflicher Mann.
Das menschenfreundliche aus liebevollen Herzen entsprungene, zugleich
auch mit der äußersten Schonung auch der zartesten bedenklichkeit, in
Annehmung der Wohltaten, begleitete Anerbieten, welches Sie mir in
Ihrem mir unvergeslichen Briefe vom 27ten Juny zu thun beliebt haben,
hat mich in die größte Rührung versetzt, und verdient meine innigste
Dankbarkeit, obgleich der Fall nicht existirt davon Gebrauch zu machen Der Commandant unserer Stadt (soll wohl eigentlich der Gouverneur,
Hr.Herr Generallieutenant v.von Brünneck seyn) hat keine Aufforderung zum ??
meiner Meynungen an mich gethan; folglich ist auch kein Entsetzungs-
urtheil von meiner Stelle, auf höchsten Befehl, an euch ergangen. — Ein
falsches Gerücht, als ob ich mit diesem Herren, der mir immer alle Merkmale
seiner Gewogenheit bewiesen hat, wegen der Bestellung eines neuen Hauslehrers
für seine Kinder, zerfallen wäre, kann hinzu ?? gegeben haben. Was die Zumuthung des Wiederrufs, im Falle, daß die vorgebliche Bedrohung
statt gefunden hätte, betrifft so haben Sie ganz richtig geurtheilt, wie ich mich
dabey würde benommen haben; außerdem halte ich in meiner jetzigen Lage
und, da mir keine Verletzung der Gesetze Schuld gegeben werden kann, eine
solche Zumuthung oder Androhung für möglich. Auf den äußersten Fall
aber bin ich von Mitteln der Selbsthülfe nicht so entblößt, daß ich Mangels
wegen für die kurze Zeit des Lebens, die noch vor mir habe, in Sorgen stehen
und irgend jemandin zur Last fallen sollte, so gerne er diese auch aus edler
Theilnehmung zu übernehmen gesinnt seyn mochte. Und nun Theuerster Freund wünsche ich Ihnen ein Glück des Lebens, dessen Ihre
Ruhm,, und liebenswürdige Dekungsart so sehr würdig ist, empfehle mich Ihrens
ferneres Wohlwollen und bin mit der größten Hochachtung
Der Ihrige
I Kant
Königsberg
den 16 July 1794