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introduction_1635.xml 31.2 KiB
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            <title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1635-01"
                  >Einleitung zum Jahrgang 1635</date></title>
            <author>
               <name>Christian II.</name>
               <nameLink>von</nameLink>
               <surname type="toponymic">Anhalt-Bernburg</surname>
            </author>
            <!--<respStmt>
               <resp>geschrieben von</resp>
               <persName>
                  <forename>Arndt</forename>
                  <surname>Schreiber</surname></persName>
            </respStmt>-->
            <respStmt>
               <resp>Umsetzung der Digitalen Edition von</resp>
               <persName>
                  <forename>Marcus</forename>
                  <surname>Baumgarten</surname>
               </persName>
            </respStmt>
            <funder>Deutsche Forschungsgemeinschaft</funder>
            <principal>Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Albert-Ludwigs-Universität
               Freiburg i. Br.</principal>
            <principal>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</principal>
         </titleStmt>
         <publicationStmt>
            <publisher>
               <name type="org">Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</name>
               <ptr target="http://www.hab.de"/>
            </publisher>
            <date type="digitised" when="2013">2013</date>
            <distributor>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</distributor>
            <availability status="restricted">
               <p>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (<ref
                     target="http://diglib.hab.de/?link=012">copyright information</ref>)</p>
            </availability>
         </publicationStmt>
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            <p> </p>

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            <item>work in progress</item>
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   </teiHeader>
   <text>
      <body>
         <div>
            <p>
               <hi rend="bold">I.</hi> Das Jahr 1635 markiert im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges
               insofern einen Wendepunkt, als mit dem kaiserlich-kursächsischen Friedensvertrag von
               Prag ein wichtiger Schritt getan wurde, um mit Hilfe tragfähiger Kompromisse die
               zentralen konfessionell-politischen Gegensätze aufzulösen und eine dauerhaft stabile
               Ordnung im Reich zu etablieren. Davon sollten aber weder alle Reichsstände noch das
               reformierte Bekenntnis profitieren, sodass der damals in ganz Deutschland
               herbeigesehnte Frieden schon allein aus diesem Grund vorläufig unerreichbar war.
               Weitaus mehr scheiterte er freilich an der völligen Missachtung der französischen und
               schwedischen Kriegsinteressen. 
            </p>
            <p>
               <hi rend="bold">II.</hi> In den ersten beiden Monaten berichtet Christian II.
               besonders von unmittelbaren Kriegsfolgen, die das Fürstentum Anhalt und angrenzende
               Gebiete in der Form von Einquartierungen, Kontributionen und soldatischen Übergriffen
               auf die Zivilbevölkerung schädigten. Anfang Februar trafen die anhaltischen Fürsten
               zwei weitreichende Entscheidungen: Zum einen beschlossen sie, die zwischen dem Kaiser
               und Kursachsen vereinbarten „Pirnaer Noteln“ anzuerkennen und damit den Schweden das
               seit 1631 bestehende Bündnis aufzukündigen. Zum anderen musste Christian II. unter
               dem Druck der älteren Fürsten August von Anhalt-Plötzkau und Ludwig von Anhalt-Köthen
               einen Erbvergleich mit seinem jüngeren Bruder Friedrich aushandeln, der diesem zwei
               Ämter des Bernburgischen Anteils zur Gründung eines eigenständigen Territoriums mit
               der Residenz Harzgerode zuwies. Am <ref target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_04_sm&amp;xml=1635_04.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd5">5. April</ref> brach der Autor des Diariums zu einer
               längeren Reise nach Wien auf, um am Kaiserhof 1.) die ihm 1629 durch Ferdinand II.
               versprochene jährliche Pension einzufordern, 2.) seine finanziellen Auslagen zur
               Anwerbung zweier Regimenter von 1619/20 durch die nunmehr katholischen böhmischen
               Stände erstattet zu bekommen, 3.) die Restitution der Grafschaft Aschersleben von dem
               Hochstift Halberstadt an das Haus Anhalt („ascanische Sache“) zu betreiben und 4.)
               den von ihm angestrebten Eintritt in kaiserliche Kriegsdienste zu beschleunigen. Wohl
               um die Wartezeit zu überbrücken, besuchte er von dort aus ab Ende des Monats für
               mehrere Tage einige Festungen und Städte an der ungarischen Militärgrenze 
               (<ref target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_04_sm&amp;xml=1635_04.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27. 4.</ref><ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_05_sm&amp;xml=1635_05.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd5">5. 5.</ref>). Etwas über
               zwei Wochen später erfuhr Christian II. von der Unterzeichnung des Prager Friedens
               zwischen Kaiser Ferdinand II. und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen, welcher von
               fast allen Reichsständen eine klare Positionierung verlangte. Neben diesem Problem
               beschäftigte den Fürsten wiederholt ein Traum, den er unter dem <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_05_sm&amp;xml=1635_05.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-05-30_281v"
                  >30. Mai</ref> auf immerhin vier Tagebuchseiten wiederzugeben und zu deuten
               versucht hatte. Dabei interessierte ihn besonders, ob Gott oder der Teufel die
               Menschen träumen lasse, um sie zu leiten oder zu verführen. In den Sommermonaten Juli
               und August notierte Christian II. verschiedene Inhalte seiner Wiener Gespräche mit
               eifrigen Katholiken wie dem konvertierten Grafen Michael Adolph von Althan, dem
               mährischen Kardinal Franz von Dietrichstein und dem kaiserlichen Beichtvater Wilhelm
               Lamormaini, die ihn gewiss primär zum Glaubenswechsel animieren wollten. Am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_08_sm&amp;xml=1635_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd18"
                  >18. August</ref> empfing er aus den Händen des Kaisers seine Lehen, die ihm zuvor
               lediglich provisorisch auf der Basis eines Indults verliehen worden waren. Während
               die Hoffnung des Fürsten auf eine standesgemäße kaiserliche Militärcharge wegen
               fehlender vakanter Stellen unerfüllt blieb, hatte ihm der kursächsische Agent
               Friedrich Lebzelter schon am <ref
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                  >25. Juli</ref> anvertraut, dass der Kurfürst von Sachsen lieber einen
               Protestanten und deshalb gern Christian II. von Anhalt-Bernburg zu seinem neuen
               Generalleutnant berufen möchte. Johann Georg ernannte dann aber nicht ihn, sondern
               Wolf Heinrich von Baudissin zu seinem ranghöchsten Offizier. Da auch seinen übrigen
               Anliegen beim Kaiser nicht der gewünschte Erfolg beschieden war, kehrte der Fürst
               Anfang Oktober nach Bernburg zurück, nachdem er im September – aus unerwähnten
               Gründen – noch eine Reise nach Graz (<ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_09_sm&amp;xml=1635_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd3">3.</ref><ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_09_sm&amp;xml=1635_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd13">13. 9.</ref>) unternommen hatte. Doch bereits zehn Tage nach
               seiner Heimkehr (<ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_10_sm&amp;xml=1635_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd13"
                  >13. 10.</ref>) begab sich Christian II. ins Gartower Feldlager des Kurfürsten,
               damit dieser alle Schäden bezahle, die von kursächsischen Soldaten in Anhalt
               angerichtet worden waren. Wieder zurück in seinem Residenzschloss erlebte er am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_10_sm&amp;xml=1635_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd17"
                  >17. Oktober</ref>, dass seine Schwester Louise Amalia an der Ruhr starb. Einen
               Anlass zur Freude bot dem Fürsten dagegen die Nachricht von der Geburt seiner Tochter
               Eleonora Hedwig (<ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_10_sm&amp;xml=1635_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd29"
                  >29. 10.</ref>), zumal Kaiser Ferdinand II. und seine Gemahlin der ihnen
               angetragenen Patenschaft zustimmten. Das Jahr 1635 endete allerdings mit einem
               heftigen Streit, weil sich August von Anhalt-Plötzkau, Ludwig von Anhalt-Köthen,
               Johann Kasimir und Georg Aribert von Anhalt-Dessau sowie Friedrich von
               Anhalt-Bernburg-Harzgerode am 15. April angesichts der Belastungen des Krieges in
               Bernburg auf einen neuen Familienvertrag zur Stärkung der „Gesamtung“ und des
               Seniorats geeinigt hatten<note type="footnote">Erbeinigungsvertrag der Fürsten von
                  Anhalt, in: G. Krause (Hg.), Urkunden, Aktenstücke und Briefe zur Geschichte der
                  Anhaltischen Lande und ihrer Fürsten unter dem Drucke des dreißigjährigen Krieges.
                  Dritter Band (1634-1637), Leipzig 1863, VII, Nr. 5, S. 140-148.</note>, ohne ihren
               damals gerade nach Wien reisenden Vetter Christian II. von Anhalt-Bernburg in die
               Verhandlungen einzubeziehen. Dieser betrachtete den Pakt als ehrabschneidende
               Schmälerung seiner reichsfürstlichen Rechte und lehnte es zunächst kategorisch ab,
               das Papier zu unterschreiben. Gedrängt durch die übrigen regierenden Fürsten und die
               Landstände, tat er es am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_12_sm&amp;xml=1635_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd18"
                  >18. Dezember</ref> dann doch, wenn auch „cum protestatione“ und unter
               ausdrücklichem Vorbehalt. 
            </p>
            <p>
               <hi rend="bold">III.</hi> Die heftige Reaktion Christians auf dieses im Prinzip
               sicherlich nicht unvernünftige „pactum familiae“ dürfte mit einem tiefen Misstrauen
               zu erklären sein, das er gegenüber seinen „herrenvettern“ hegte, denen er sogar
               einmal unterstellte, sich gegen ihn selbst mit seinem Bruder in böser Absicht zu
                  verbünden.<note type="footnote">Vgl. den Tagebucheintrag vom <ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_03_sm&amp;xml=1635_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd16"
                     >16. März</ref>: „Jls se bandent unanimement, (mesmes avec mon frere) pour me
                  ruiner. Dieu les chastie, &amp; amende[.]“</note> Der am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_02_sm&amp;xml=1635_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd4"
                  >4. Februar 1635</ref> geschlossene „fürstbrüderliche“ Teilungsvertrag schien
               diesen Verdacht nur zu bestätigen. Denn letztlich konnte Friedrich seinen Anspruch
               auf gleichberechtige Partizipation an der Landesherrschaft in erster Linie wegen der
               tatkräftigen Unterstützung der beiden wesentlich älteren und als
               Testamentsvollstrecker fungierenden Onkel August und Ludwig gegenüber Christian II.
               durchsetzen, der deswegen nicht weniger als den drohenden Verlust seiner Würde als
               „Prince Regnant“ befürchtete.<note type="footnote">Siehe dazu seinen Eintrag vom <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_12_sm&amp;xml=1635_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-12-05_15v"
                     >5. Dezember</ref>: „J'ay estè fort agitè cejourd'huy de pensèes touchant la
                  dignitè, que je vay perdre, d'estre Prince Regnant, d'autant que mon frere veut
                  estre traittè a l'esgal de moy.“</note> Obwohl auch der Bernburger
               Regierungspräsident Heinrich von Börstel am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_01_sm&amp;xml=1635_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-01-31_208v"
                  >31. Januar</ref> nochmals Bedenken gegen weitere „subdivisiones“ vortrug, hatte
               man allerdings bereits im November 1634 festgelegt, dass für den jüngsten
               überlebenden Sohn Christians I. nach seinem 21. Geburtstag (Mündigkeit) ein sechstes
               anhaltisches Teilfürstentum aus den Städten Harzgerode und Güntersberge sowie den
               Dörfern Breitenstein, Dankerode, Neudorf und Schielo zu bilden sei. Das
               Erbteilungsabkommen vom Februar 1635 realisierte diese Zusage und regelte zahlreiche
               wirtschaftliche Detailfragen. Am 3. Dezember wurde zudem verabredet, dass die zwei
               Brüder im Gesamtterritorium Anhalt-Bernburg gemäß dem väterlichen Testament
               gemeinschaftlich herrschen sollten, dem Älteren hierbei aber die Direktion zustehe.
               Christian II. bewahrte sich so für seine zukünftige Regierungstätigkeit relativ viel
               Handlungsspielraum, hatte jedoch fortan alle landesfürstlichen Befehle ebenso im
               Namen Friedrichs zu erteilen und diesen bei wichtigen Entscheidungen vorab zu
               konsultieren. Im Notfall und bei Abwesenheit des Bruders war er weiterhin befugt,
               völlig eigenmächtig zu agieren.<note type="footnote">Vgl. Karl-Heinz Börner: Die
                  sechste Residenz. 74 Jahre Fürstensitz Harzgerode (1635-1709), in: Werner Freitag
                  / Michael Hecht (Hg.), Die Fürsten von Anhalt. Herrschaftssymbolik, dynastische
                  Vernunft und politische Konzepte in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Studien
                  zur Landesgeschichte, Bd. 9), Halle/Saale <c rend="super">2</c>2009, S.
                  202f.</note> Das abgesprochene Prozedere schien indes von Anbeginn nicht
               reibungslos zu funktionieren, denn schon unter dem <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_06_sm&amp;xml=1635_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-06-02_290v"
                  >2. Juni</ref> ist in Christians Tagebuch zu lesen, dass Friedrich „lose händel“
               mache, „die Regierung reformiren“ wolle „vndt auf den Cantzeln, nicht wie bißhero vor
               mich bitten“ lasse.<note type="footnote">Vgl. ebd., S. 205.</note>
            </p>
            <p>
               <hi rend="bold">IV.</hi> Im Bereich der großen Politik vermochten die Fürsten von
               Anhalt im Jahr 1635 wesentlich rascher eine gemeinsame Position zu finden. Nach der
               schweren schwedischen Niederlage in der Schlacht von Nördlingen am 27. August/6. September 1634
               hatte sich Kursachsen schrittweise den Interessen des Kaisers in grundsätzlichen
               Fragen angenähert. Beide Seiten bereiteten danach unter dem Ausschluss Schwedens
               einen auf das Heilige Römische Reich deutscher Nation beschränkten Partikularfrieden
               vor, dessen Details die kaiserlichen und sächsischen Gesandten bis zum 24. November
               desselben Jahres in einem Vorfrieden fixierten, der meist als „Pirnaer Noteln“
               bezeichnet wird und bereits viele Kernelemente des sechs Monate später in Prag
               ausgehandelten endgültigen Friedensvertrages antizipierte.<note type="footnote">Die
                  Pirnaer Noteln (14./24. November 1634), in: Kathrin Bierther (Bearb.), Die Politik
                  Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651. 2. Teil, 10.
                  Band: Der Prager Frieden von 1635, 4. Teilband (Vertragstexte), München 1997, Nr.
                  561, S. 1539-1598.</note> Offenbar schon auf eine Anfrage des Kurfürsten Johann
               Georg I. von Sachsen vom Januar 1635<note type="footnote">Vgl. Hermann Wäschke:
                  Geschichte Anhalts von der Teilung bis zur Wiedervereinigung (Anhaltische
                  Geschichte, Bd. 3), Köthen 1913, S. 82.</note> hin stimmten die Fürsten August,
               Ludwig, Johann Kasimir, Christian II. und Friedrich am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_02_sm&amp;xml=1635_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd3"
                  >3. Februar</ref> darin überein, dass man ein solches Friedensangebot trotz
               einiger problematischer Punkte wie etwa der in ihren Augen nicht
               reichsverfassungskonformen Stärkung des Kaisertums<note type="footnote">Der
                  Bernburger Regierungspräsident bemerkte laut Christians Tagebucheintrag vom <ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_01_sm&amp;xml=1635_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd31"
                     >31. Januar</ref> dazu, dass „die friedensarticul zimlich præjudizirlich den
                  Reichsconstitutzionen“ seien und dem Kaiser „darüber auch den Dominat“
                  einräumten.</note> annehmen und die im Land liegenden Schweden über den geplanten
               Austritt Anhalts aus der Allianz mit ihnen „offenhertzig“ informieren müsse. Vier
               Tage später wurden die entsprechenden Patente ausgefertigt.<note type="footnote"
                  >Vgl. Tagebucheintrag vom <ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_02_sm&amp;xml=1635_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd7">7. Februar</ref>.</note> Für die Anhaltiner waren
               die folgenden Regelungen des Prager Friedensschlusses vom 20./30. Mai von besonderer
               Bedeutung: Die im kaiserlichen Restitutionsedikt von 1629 verfügte Wiederherstellung
               aller nach 1552 säkularisierten geistlichen Güter – darunter die ehemaligen Klöster
               Gernrode, Hecklingen und Nienburg (Saale) – wurde für 40 Jahre suspendiert und
               die konfessionelle Besitzverteilung im Reich für dieselbe Dauer auf den Stand des 12.
               November 1627 normiert. Ein Artikel garantierte den bisherigen Kriegsparteien volle
               Straf- und Kompensationsfreiheit für alle Aktionen seit der Landung des schwedischen
               Königs Gustav II. Adolph an der pommerschen Küste (1630). Reichsständische
               Sonderbündnisse wie der Heilbronner Bund und die Katholische Liga waren fortan
               verboten. An ihrer Stelle sollte eine auch aus anhaltischen Steuern zu finanzierende
               Reichsarmee unter dem Oberkommando des Kaisers die Truppen der fremden Kronen aus
               Deutschland vertreiben. In der nördlichen Reichshälfte wurde der sächsische Kurfürst
               mit der Führung der erforderlichen militärischen Operationen gegen die Schweden
               beauftragt. Welche Reichsstände außer den Nachkommen des 1620 geächteten Kurfürsten
               Friedrich V. von der Pfalz noch von diesem Frieden ausgeschlossen waren, regelte erst
               ein späterer Nebenrezess.<note type="footnote">Der Prager Frieden zwischen dem Kaiser
                  und Kursachsen (30. Mai 1635), in: Kathrin Bierther (Bearb.), Die Politik
                  Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651. 2. Teil, 10.
                  Band: Der Prager Frieden von 1635, 4. Teilband (Vertragstexte), München 1997, Nr.
                  564, S. 1603-1661.</note> Bis dahin blieb es trotz der prinzipiell in Aussicht
               gestellten Amnestie ungewiss, ob nicht vor allem Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen wegen
               seiner Dienste als schwedischer Statthalter in den beiden Stiften Magdeburg und
               Halberstadt diesem Personenkreis zugerechnet würde. Da dies nicht geschah, konnte
               Christian II. am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_07_sm&amp;xml=1635_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-07-04_328r"
                  >4. Juli</ref> gegenüber Kaiser Ferdinand II. schriftlich seine Annahme des Prager
               Friedenswerkes erklären. Die anderen regierenden Mitglieder des Hauses Anhalt hatten
               das bereits am 16. Juni getan.<note type="footnote">Vgl. Wäschke: Geschichte Anhalts,
                  S. 82.</note>
            </p>
            <p>
               <hi rend="bold">V.</hi> Eine entscheidende anhaltische Erwartung erfüllte der Vertrag
               im Gegensatz zu seinem Pirnaer Entwurf allerdings nicht: den Einschluss der
               Calvinisten in den ausdrücklich bestätigten Augsburger Religionsfrieden. Dem
               nichtkatholischen Bekenntnis der Anhaltiner fehlte damit weiterhin jene
               reichsrechtliche Absicherung, die das deutsche Luthertum seit 1555 besaß. Fürst
               August, der Senior der Dynastie, zeigte sich daher nicht zu Unrecht darüber besorgt,
               dass der angeblich auf kaiserlichen Wunsch aus dem Text getilgte Terminus
               „Protestirende“ für „vns sehr præjudizirlich, in gesampten landt: vndt
               gewißenssachen, sejn“ würde<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_05_sm&amp;xml=1635_05.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-05-20_271r"
                     >20. Mai 1635</ref>.</note>, weil dieses Wort bei früheren
               konfessionspolitischen Konflikten immer alle evangelischen Reichsstände
               zusammengefasst hatte. Der hierin erneut zum Ausdruck kommende Argwohn von Ferdinand
               II. gegen die reformierte Religion verletzte Christian II. in hohem Maße. Am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_06_sm&amp;xml=1635_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-06-01_289v"
                  >1. Juni</ref> sagte er deswegen dem Wiener Hofkriegsratspräsidenten Graf Heinrich
               Schlick, wie wenig er diejenigen achte, „die nicht glauben hielten, vndt dem Kayser
               nicht geben, waß des Kaysers wehre, noch der Obrigkeitt, die gewaltt vber Sie
               hette[,] vndterthenig sein wollten“. Dies „lehrete auch das wortt Gottes, vndt vnser
               glaube“, ja „welche das nicht glaübten“, galten ihm als „keine rechte[n] Christen“.
               Vor diesem Hintergrund dienten die Gespräche einiger weiterer hochrangiger Katholiken
               der Hofburg mit dem Bernburger Fürsten sicherlich ebenso dem Aufbau
               interkonfessionellen Vertrauens. So beteuerte der Kardinal Franz von Dietrichstein
               ihm gegenüber, dass er trotz der herrschenden theologischen Differenzen mit den
               Protestanten alle verabscheue, die meinen, man dürfe mit Häretikern getroffene
               Vereinbarungen ruhigen Gewissens brechen.<note type="footnote">Vgl. den
                  Tagebucheintrag vom <ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_07_sm&amp;xml=1635_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-07-07_335v"
                     >7. Juli</ref>: „Le Cardinal disoit aussy, qu'il abhorroit ceux quj tiennent
                  ceste maxime: Hæreticis non est servanda fides.“</note> Der kaiserliche
               Beichtvater Wilhelm Lamormaini, der den jüngsten Friedensschluss eigentlich
                  missbilligte<note type="footnote">Vgl. Peter H. Wilson: The Thirty Year’s War.
                  Europe’s Tragedy, Cambridge/Massachusetts 2009, S. 567.</note>, versuchte
               Christians latentes Misstrauen gegenüber der katholischen Partei zu zerstreuen, indem
               er den Leitspruch „Hæreticis non est servanda fides“ als eine Verleumdung seines
               Ordens kritisierte, den allein dessen Feinde schlimmster Verbrechen, ja sogar des
               Königsmordes beschuldigten. Außerdem attestierte der Jesuit den Calvinisten mehr
               Feinsinnigkeit als den Lutheranern und hoffte immer noch auf eine baldige
               Wiedervereinigung der Christenheit unter dem Dach einer gemeinsamen Kirche, zumal ihn
               erfreute, was für „ein sanftmühtiges, friedliebend gemüht“ der reformierte Fürst „ob
               unitatem christianismj“ habe.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_08_sm&amp;xml=1635_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd3"
                     >3. August</ref>.</note> Der Konvertit Graf Michael Adolph von Althan forderte
               darüber hinaus sogar den völligen Verzicht auf die üblichen gegenseitigen
               Beschimpfungen als „Antichrist“ bzw. „ketzer“, damit man mit vereinten Kräften den
               osmanischen „Erbfeindt“ erfolgreich bekriegen und endlich „das heilige grab auß der
               vnglaübigen händen“ befreien könne.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_07_sm&amp;xml=1635_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-07-03_325v"
                     >3. Juli</ref>.</note> Und auch der außerordentliche spanische Botschafter am
               kaiserlichen Hof, Conde Íñigo de Oñate, versicherte ihm Mitte August: „Der Kayser
               sehe gern, einen bestendigen frieden. Die Thür wehre andern darzu nicht allein nicht
               gesperret, sondern geöfnett.“<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_08_sm&amp;xml=1635_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-08-14_395v"
                     >14. August</ref>.</note>
            </p>
            <p>
               <hi rend="bold">VI.</hi> Ein abschließender Kommentar zu diesem Tagebuchjahrgang
               betrifft die Investitur durch das Reichsoberhaupt, die eher ein Nebenprodukt als
               expliziter Zweck der Wien-Reise des Anhaltiners war.<note type="footnote">Erst am 25.
                  Mai (alter Kalender) hatte sein Regierungspräsident Börstel Christian II. nach
                  Wien geschrieben, „das die vollmachtt vndt instruction in der Reichslehenssache,
                  auf mich gerichtett, nebst einem Schreiben an die Kayßerliche Mayestätt in meiner
                  herrenvettern gesamptem Nahmen, schon eingerichtett vndt resolvirt“ sei. Die
                  Belehnung sollte nach dem Willen der übrigen regierenden Fürsten von Anhalt
                  allerdings nicht vollzogen werden, „biß daß der [Prager] friede richtig
                  geschloßen“ (Tagebucheintrag vom <ref
                     target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_06_sm&amp;xml=1635_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-06-07_297v"
                     >7. Juni</ref>).</note> Denn der persönliche Empfang der angestammten Lehen
               stellte zumindest für weltliche Reichsfürsten schon damals bei weitem keine
               Selbstverständlichkeit mehr dar.<note type="footnote">Vgl. Barbara
                  Stollberg-Rilinger: Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und
                  Symbolsprache des Alten Reiches, München 2008, S. 212-214.</note> Dass sich sein
               gleichnamiger Vater trotzdem im Juni 1624 selbst zu Kaiser Ferdinand II. bemüht
               hatte, um von diesem ein zweites Mal belehnt zu werden, hing hauptsächlich mit seiner
               Lossprechung von der 1620 über ihn verhängten Reichsacht und dem daraus
               resultierenden Lehensverlust zusammen.<note type="footnote">Vgl. Johann Christoph
                  Bec(k)mann: Historie des Fürstenthumbs Anhalt In Sieben Theilen verfasset, Zerbst
                  1710, V. Teil, S. 332.</note> Dagegen erwartete Christian II. von seiner direkten
               Beteiligung am Ritual der Lehensübertragung gleich mehrere konkrete Vorteile, die er
               am <ref
                  target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1635_08_sm&amp;xml=1635_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1635-08-19_401v"
                  >19. August</ref> in seinem Diarium detailliert aufliste. Unter den genannten fünf
               Punkten sind besonders die kaiserliche Gunst und Protektion für alle Fürsten von
               Anhalt, die Einbindung seines calvinistischen Hauses in den weiterhin kontrovers
               ausgelegten Augsburger Religionsfrieden und eine bessere Aussicht auf die
               Rückgewinnung der Grafschaft Aschersleben hervorzuheben. 
            </p>
         </div>
      </body>
   </text>
</TEI>