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Commit e883baa0 authored by Maximilian Görmar's avatar Maximilian Görmar
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<title>Projektbeschreibung</title>
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<!--<head>Projektbeschreibung</head>-->
<p><hi rend="bold">I.</hi> Die digitale Edition der Tagebücher des reformierten Fürsten Christian II. von
Anhalt-Bernburg (1599-1656) aus dem Zeitraum von 1621 bis 1656 erschließt einen
quantitativ wie qualitativ ganz einzigartigen Brennspiegel der deutschen und
europäischen Geschichte sowie der unterschiedlichen Diskurse während der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts. Darüber hinaus weist die Quelle einen
außergewöhnlich hohen Anteil an verbalisierter zeitgenössischer Subjektivität
auf, der dem Text stellenweise sogar eine gewisse literarische Qualität
verleiht. Die transdisziplinäre Bedeutung des Werkes bettet sich in vielfältige
Interessen und Kontexte der aktuellen Forschung ein. Dazu gehören nicht nur die
jüngsten Untersuchungen zur klassischen Politik- und Militärgeschichte, zu
frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen, zur Sozial-, Alltags- und
Geschlechtergeschichte, zur Konfessionalisierung, zu verschiedenen Aspekten
des Dreißigjährigen Krieges, zur Hof- und Adelsforschung oder zur Sprach-,
Literatur- und allgemeinen Kulturgeschichte, sondern auch zu Themen wie der
Geschichte der Emotionen und des Traumes in jener Epoche. Als eine den
gegenwärtigen wissenschaftlichen Standards entsprechende digitale Edition wird
sie einem großen Spektrum an Forschungsperspektiven zahlreiche
Anknüpfungspunkte bieten können.</p>
<p><hi rend="bold">II.</hi> Das in quantitativer wie qualitativer Hinsicht unübertroffene, im
Landesarchiv Dessau-Roßlau aufbewahrte Diarium besteht aus 23 Bänden mit
ungefähr 17.400 größtenteils eigenhändig in deutscher (ca. 87%), französischer
(ca. 11%), italienischer (ca. 1%), lateinischer, spanischer und niederländischer
Sprache beschriebenen Seiten. In zwei zusätzlichen, im Rahmen dieses Projekts
nicht zu edierenden jeweils rund 500-seitigen Folianten fasste Christians
Sekretär Sigismund Ladisla in gekürzter Form die partiell verschollenen
fürstlichen Eintragungen der Jahre 1620 bis 1627 nebst einigen früheren
Aufzeichnungen zusammen. Dass der Fürst an dieser von allen zu offenen und
geheimen Äußerungen gereinigten Version seines Lebensdokuments intensiv
mitwirkte, reflektiert die immense Bedeutung, welche er von Anbeginn jener
alltäglichen Praxis der persönlichen Rechenschaftslegung beimaß, die ihm
Selbstvergewisserung gewähren und Trost spenden sollte.<note type="footnote">Vgl. die Überblicke von Klaus Conermann: Editionsdesiderate. Die Werke der Fürsten Ludwig und Christian II. von Anhalt im Kontext der Akademiearbeiten der Fruchtbringenden Gesellschaft. Erster Teil, in: Hans-Gert Roloff (Hg.), Editionsdesiderate der Frühen Neuzeit. Beiträge zur Tagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit (Chloe. Beihefte zum Daphnis, Bd. 24), Amsterdam/Atlanta 1997, S. 473-479, und Andreas Herz: „... ma fatale destinèe ...“. Krisen- und Leidenserfahrungen Fürst Christians II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656) in seinen Tagebüchern und anderen Lebensdokumenten, in: Johann Anselm Steiger (Hg.), Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit, Bd. 2 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 43), Wiesbaden 2005, S. 981-1035.</note> Ein frühes, die Zeit vom
28. Januar bis 5. November 1620 abdeckendes französischsprachiges Tagebuch wurde
ihm nach seiner Gefangennahme in der Schlacht am Weißen Berg (8. 11.) von den
kaiserlich-ligistischen Siegern abgenommen und bereits 1804 durch den
bayerischen Hofbibliothekar Johann Christoph von Aretin publiziert.<note type="footnote">Johann Christoph von Aretin (Hg.): Tagebuch des Prinzen Christian von Anhalt, über die Kriegsvorfälle des Iahres 1620, in: Beyträge zur Geschichte und Literatur, vorzüglich aus den Schätzen der pfalzbairischen Centralbibliothek zu München 2.6 (1804), S. 65-96, 3.1 (1804), S. 49-112, und 3.2 (1804), S. 49-112.</note> Abgesehen
von dieser und einigen weiteren wissenschaftlich unbefriedigenden Teil- bzw.
Auswahleditionen durch Gottlieb Krause<note type="footnote">Gottlieb Krause (Hg.): Tagebuch Christians des Jüngeren, Fürst zu Anhalt: niedergeschrieben in seiner Haft zu Wien, im Geleite Kaiser Ferdinands des Zweiten zur Vermählungsfeier nach Inspruck, auf dem Reichstage zu Regensburg, und während seiner Reisen und Rasten in Deutschland, Dänemark und Italien, Leipzig 1858.</note>, Max Dittmar<note type="footnote">Max Dittmar: Aus dem Tagebuche des Fürsten Christian des Jüngeren von Anhalt-Bernburg. Aufzeichnungen, die Zerstörung Magdeburgs, die Unterredung des Fürsten Christian mit dem Administrator Christian Wilhelm von Brandenburg und den Entsatz Magdeburgs durch Pappenheim betreffend, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 29 (1894), S. 90-136.</note>, Hermann Wäschke<note type="footnote">Hermann Wäschke: Die Belagerung und Zerstörung Magdeburgs. Tagebuchblätter, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 41 (1906), S. 318-327; Ders.: Aus dem Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg. Beiträge zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 5 (1908), S. 53-78; Ders.: Eindrücke vom Kurfürstentag zu Regensburg 1630. Auszüge aus dem Tagebuch Christians II. von Anhalt, in: Deutsche Geschichtsblätter 16 (1915), S. 57-76, 103-132 und 147-152.</note> und
Reinhold Specht<note type="footnote">Reinhold Specht: Fürst Christians II. von Anhalt Aufenthalt und Reisen 1645 und 1651 im Harz, in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 71 (1938), S. 117-124.</note> sind ca. 92 Prozent des Tagebuchwerks bis heute
unveröffentlicht geblieben. Auch an neuerer Spezialforschung liegen zu ihm
lediglich rudimentäre Studien aus dem Umfeld der Akademie-Arbeitsstelle
„Fruchtbringende Gesellschaft“ in Wolfenbüttel vor<note type="footnote"><ref target="http://www.hab.de/de/home/wissenschaft/projekte/fruchtbringende-gesellschaft---die-deutsche-akademie-des-17-jahrhunderts.html">http://www.hab.de/de/home/wissenschaft/projekte/fruchtbringende-gesellschaft---die-deutsche-akademie-des-17-jahrhunderts.html.</ref></note>, welche die vielschichtige
Aussagekraft dieses Selbstzeugnisses angemessen würdigen und nachdrücklich einen
erleichterten Zugang der Wissenschaft zu dieser Quelle empfehlen, den keine noch
so breitangelegte Monographie herzustellen vermag.</p>
<p><hi rend="bold">III.</hi> Um diesem Desiderat nach einer kritischen Edition so sachgerecht wie möglich
abzuhelfen, sollen neben den digitalen Seitenfaksimiles des Diariums die zu
transkribierenden Originaltexte weitestgehend diplomatisch getreu und mit
Übersetzung der fremdsprachigen Passagen präsentiert werden. Ein alphabetisches
Glossar erleichtert das Verständnis erklärungsbedürftiger Wortformen und
-bedeutungen. Alle vom Autor erwähnten Personen, Orte und Körperschaften werden
durch eigene Register erfasst, die im Text vorkommenden oder zitierten Dokumente
und Werke nach Möglichkeit identifiziert. Unentbehrliche Informationen über die
zentralen Kontexte oder durchgängige Themen eines Abschnitts skizzieren kurze
Einleitungen für mindestens jeden Tagebuchjahrgang, während sich die so von
dieser Aufgabe befreiten Sachkommentare im eigentlichen Text auf ergänzende,
unbedingt notwendige Erläuterungen beschränken. Außerdem sieht das
Arbeitsprogramm tabellarische und kartographische Itinerare des Fürsten zur
Illustration der europäischen Dimension seiner täglichen Notizen vor. Eine
solche moderne kritische Erschließung der Handschrift ist zu ihrer fruchtbaren
wissenschaftlichen Verwendung unabweisbar, denn nicht ohne Grund hat sich
dieses einmalige Selbstzeug-nis eines der mindermächtigen deutschen
Reichsfürsten bis heute jeder „spontanen“ Verständnis- und Auswertungsbemühung
verschlossen, die auf keine verlässliche Kenntnis der geographischen,
personellen und historischen Zusammenhänge zurückgreifen kann. Als wichtige
Benutzungshilfen dienen nicht zuletzt spezielle Suchmasken für Orte, Personen
und den Volltext sowie anschauliches Kartenmaterial für das mehrfach geteilte
Fürstentum Anhalt, das Heilige Römische Reich und den europäischen Kontinent in
der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.</p>
<p><hi rend="bold">IV.</hi> Das auf 12 Jahre angelegte DFG-Projekt hat am 1. November 2013 mit einer
dreijährigen Pilotphase begonnen, innerhalb welcher zunächst die knapp 1.500
Seiten umfassende Periode vom Januar 1635 bis August 1637 transkribiert und
veröffentlicht wurde. Deren besonders dichte und vielseitige Niederschriften
stellten ein geeignetes Feld zur Bewährung und Justierung der editorischen
Grundsatzentscheidungen hinsichtlich der Wiedergabe und Kommentierungstiefe der
Texte in den Grenzen des zeitlich Möglichen dar.</p>
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<title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1621-01"
>Einleitung zum Jahrgang 1621</date></title>
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<name>Christian II.</name>
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<resp>Umsetzung der Digitalen Edition von</resp>
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<funder>Deutsche Forschungsgemeinschaft</funder>
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<p>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (<ref
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<item>work in progress</item>
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<p>
<hi rend="bold">I.</hi> Die militärischen und politischen Ereignisse des Jahres 1621
wurden vor allem von den Folgen der vernichtenden Niederlage der böhmischen Konföderierten
vor den Toren Prags vom November 1620 geprägt. Spätestens mit dem im Sommer begonnenen
Vormarsch kaiserlich-ligistischer und spanischer Truppen auf die Unterpfalz,
welchen auch die durch den geächteten „Winterkönig“ und Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz
aufgebotenen Heerführer Graf Peter Ernst II. von Mansfeld und Herzog Christian d. J.
von Braunschweig-Wolfenbüttel nicht aufzuhalten vermochten, verlagerte sich das
Kriegsgeschehen von den Territorien der Wenzelskrone in den Südwesten des Heiligen
Römischen Reiches deutscher Nation. Die während des Ständekonflikts in Böhmen neutrale
Protestantische Union hatte sich bereits im April formal aufgelöst. Das Engagement Englands,
Schwedens und der Vereinigten Niederlande in der weiterhin offenen kurpfälzischen Frage
verlieh dem Krieg zunehmend eine „europäische“ Dimension.
</p>
<p>
<hi rend="bold">II.</hi> Die überlieferten Tagebucheinträge des Fürsten Christian II.
von Anhalt-Bernburg setzen erst mit dem <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1621_11_sm&amp;xml=1621_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd1">25. November 1621</ref> ein. Als kaiserlicher
Kriegsgefangener wurde er an diesem Tag von Wiener Neustadt in die Residenzstadt
Wien verlegt, womit auch eine Lockerung der bisherigen Haftbedingungen verbunden
war. Die folgenden Bemühungen des jungen Anhaltiners zielten in erster Linie darauf ab,
bei Kaiser Ferdinand II. für sich selbst und seinen mit der Reichsacht bestraften Vater
Christian I. eine vollständige Begnadigung zu erreichen. Die lange angestrebte und am
<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1621_12_sm&amp;xml=1621_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd12">12. Dezember</ref> endlich gewährte kaiserliche Audienz verlief nach einigen Anlaufschwierigkeiten
durchaus vielversprechend. Am Monatsende wurde er sogar dazu eingeladen, den Kaiser zu
dessen Hochzeit nach Innsbruck zu begleiten.
</p>
<p>
<hi rend="bold">III.</hi> Christian II. hatte in den Jahren 1619/20 als junger Obrist unter
dem Oberbefehl seines Vaters aktiv an den militärischen Operationen der böhmischen Konföderierten
teilgenommen.<note type="footnote">Vgl. Johann Christoph von Aretin (Hg.): Tagebuch des Prinzen
Christian von Anhalt, über die Kriegsvorfälle des Iahres 1620, in: Beyträge zur Geschichte und Literatur,
vorzüglich aus den Schätzen der pfalzbairischen Centralbibliothek zu München 2.6 (1804), S. 65-96, 3.1 (1804),
S. 49-112, und 3.2 (1804), S. 49-112.</note> In der Schlacht am Weißen Berg vom 8. November 1620 kommandierte er zwei Regimenter,
wurde bei einer gewagten Reiterattacke schwer verwundet und durch den kaiserlichen Obristen Guillermo
Verdugo gefangen. Dieser übergab ihn Mitte Mai 1621 dem Kaiser, der den anhaltischen Prinzen knapp zwei
Wochen darauf nach Wiener Neustadt bringen, dort arretieren und streng überwachen ließ. Von hier aus
ersuchte Christian II. das Reichsoberhaupt im August, nach Wien ziehen und ihm aufwarten zu dürfen.<note type="footnote">Vgl.
Christian II. von Anhalt-Bernburg: Eigentlicher Bericht wie es mir in und seithero der Schlacht vor Prag ergangen. 1620,
den 8. November, in: Heinrich Lindner (Hg.), Mittheilungen aus der Anhaltischen Geschichte, 1. Heft, Dessau 1830, S. 3-26.</note>
Im Vorfeld der für den 12. Dezember zugesagten Audienz bei Ferdinand II. traten jedoch erhebliche
Meinungsverschiedenheiten auf, da der junge Anhaltiner zunächst „eher sterben“, als den zur Demonstration
seiner Unterwerfung kategorisch geforderten und für ihn als Reichsfürsten hochproblematischen Kniefall
leisten wollte.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
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>11. Dezember</ref>.</note> Nur auf das intensive Drängen befreundeter Ratgeber fügte er sich zuletzt weitgehend
in das Unvermeidliche und machte „4 schritt vorm Kaiser eine Reuerenz mit dem lincken schenckel, das Jch
vfs knie zu sizen kahm“, obwohl ihm der Reichsvizekanzler Johann Ludwig von Ulm zuvor eingeschärft hatte,
„[Jch] müste mitten in der stuben niederfallen, Vnd so lang vf den Knien liege[n,] bis mich der Kayser
hies vfstehen“. Das Reichsoberhaupt zeigte sich mit diesem zeremoniellen Kompromiss glücklicherweise ebenso
zufrieden wie mit der anschließenden geschickten „Rede“ des Prinzen, die auf jede konfessionelle und politische
Rechtfertigung verzichtete. Stattdessen bat er Ferdinand II. um Gnade, Huld und Schutz. Seine Teilnahme an dem
„böhmischen Veldzug“ verteidigte Christian II. damit, dass er lediglich seinem „herzlieben herrn Vattern, in deßen
Gehorsamb vnd disciplin Jch gewesen“, gefolgt sei und gehofft habe, sich auf dem Schlachtfeld „als ein angehender
Junger Soldat“ zu qualifizieren, um in der Zukunft Kaiser und Reich „desto füglicher“ dienen zu können.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1621_12_sm&amp;xml=1621_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1621-12-12_6r"
>12. Dezember</ref>.</note> In der Tat gelang ihm auf diese Weise, zu Ferdinand II. in der Folgezeit ein stabiles Vertrauensverhältnis aufzubauen.
</p>
<p>
<hi rend="bold">IV.</hi> Manche Angehörige des Wiener Hofadels überzeugten derlei Treueerklärungen ohne das in den
Territorien der Habsburgermonarchie zunehmend obligatorische Bekenntnis zur katholischen Kirche freilich wenig. So teilte
die altgläubige böhmische Oberstkanzlerin Polyxena Popel von Lobkowitz Christian II. gleich zu Beginn seines Besuches am Tag
nach der kaiserlichen Audienz zwar „mit vielen höflichen worten“, aber deutlich genug mit, wie stark sie ihn „ins garn der
Catholischen Religion [zu] fischen“ wünschte, damit „es meiner Seehl möchte wol gehen“. Danach erhob die geborene Frau von
Pernstein schwere Vorwürfe gegen den Calvinismus, der für alle in Prag verübten Bilderstürme und Grabschändungen verantwortlich
sei. Auch der Vater ihres Gastes könne sich für seine frühe Beteiligung an der Ständerevolte in Böhmen „nicht entschuldigen“ und
habe „schlechte Leuthe“, die „theils von Schneidern[,] Bläuern vnd dienern“ abstammten, mit den höchsten Landesämtern betraut. Der
Prinz „wiederlegte alles der gebühr nach“ und sah sich gegen Ende des Gespräches selbst mit der provokanten Frage konfrontiert,
warum er weder vor dem Kaiser noch vor Gott niederknien wolle. Seine Antwort, dies „fast alle Morgen vor vnserm herrn Gott“ als
„eine ehre[,] die Jhm gebühre“, zu tun, dürfte die Skepsis der eifrigen Katholikin mit spanischer Mutter kaum verringert haben.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
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>13. Dezember</ref>.</note>
</p>
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<title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1622-01"
>Einleitung zum Jahrgang 1622</date></title>
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<name>Christian II.</name>
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<p>
<hi rend="bold">I.</hi> In der ersten Hälfte des Jahres 1622 versuchten die protestantischen Kriegsherren Herzog
Christian d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel, Graf Peter Ernst II. von Mansfeld und Markgraf Georg Friedrich von
Baden-Durlach im Auftrag des am 29. Januar 1621 durch Kaiser Ferdinand II. mit der Reichsacht belegten pfälzischen
Kurfürsten Friedrich V., die Rheinpfalz von den dort einmarschierten spanischen Truppen zu befreien. Trotz anfänglicher
Erfolge unterlagen sie jedoch bald den Spaniern und der Katholischen Liga, die ab dem Sommer auch die rechtsrheinischen
Gebiete der Unterpfalz mit der Residenzstadt Heidelberg besetzten. Anhalt blieb dagegen von den damaligen militärischen
Operationen verschont.
</p>
<p>
<hi rend="bold">II.</hi> Bei Jahresbeginn war Christian II. zwar immer noch kaiserlicher Kriegsgefangener, führte in Wien
aber ein Leben ohne größere Einschränkungen. Weiterhin bat er den Kaiser für sich und seinen geächteten Vater im Exil um
Begnadigung und Restitution der eingezogenen Lehen. Ab dem <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_01_sm&amp;xml=1622_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd20">20. Januar</ref> begleitete der Anhaltiner das Reichsoberhaupt nach Innsbruck,
um dort dessen Vermählung mit Eleonora Gonzaga (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_02_sm&amp;xml=1622_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd2">2. 2.</ref>) beizuwohnen. Anschließend erhielt er die Erlaubnis, für ein halbes Jahr
seine Mutter zu besuchen, und brach Anfang Februar zu einer längeren Reise in die nördliche Reichshälfte auf. Für die
Tagebuchaufzeichnungen vom 14. Februar bis 5. Oktober sind die Autographen des Fürsten nicht überliefert. In diesen Zeitraum
fallen insbesondere sein Wiedersehen mit der Mutter und einigen Geschwistern in Ballenstedt (16. 2.), seine Köthener Aufnahme
in die Fruchtbringende Gesellschaft (25. 2.), eine Besichtigung der Stadt Magdeburg (30. 4.–1. 5.), die Badekur mit Fürst
Ludwig von Anhalt-Köthen und weiteren Verwandten im böhmischen Karlsbad (17. 6.–9. 7.), seine Rückkehr an den Wiener Kaiserhof
(20.–26. 7.), ein Treffen mit den Eltern und drei ältesten Schwestern in Flensburg (9.–12. 8.) sowie wiederholte mehrwöchige
Aufenthalte im Fürstentum Anhalt (16. 2.–29. 4., 2. 5.–10. 6. und seit dem 18. 8.).<note type="footnote">Gottlieb Krause (Hg.):
Tagebuch Christians des Jüngeren, Fürst zu Anhalt: niedergeschrieben in seiner Haft zu Wien, im Geleite Kaiser Ferdinands
des Zweiten zur Vermählungsfeier nach Inspruck, auf dem Reichstage zu Regensburg, und während seiner Reisen und Rasten in
Deutschland, Dänemark und Italien, Leipzig 1858, S. 28-58. Diese ältere Edition folgt überwiegend einer zeitgenössischen
Abschrift der Tagebucheinträge vom 25. November 1621 bis 4. September 1624 von unbekannter Hand [LASA Dessau-Roßlau,
Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14a], die wiederum auf einer nicht selten gekürzten und ebenfalls bereits auszugsweisen,
durch den fürstlichen Sekretär Sigismund Ladisla um 1650 in Konzeptform angefertigten Kopie der Diarien von 1621 bis 1627
[LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. XXIV] basiert.</note> Vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_10_sm&amp;xml=1622_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd25">30. Oktober</ref> bis zum Jahresende befand
er sich größtenteils in Regensburg und reiste von hier aus lediglich für wenige Tage einmal dem Kaiser bis Linz entgegen (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_11_sm&amp;xml=1622_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd2">2.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_11_sm&amp;xml=1622_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd12">12. 11.</ref>),
nach Stuttgart (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_12_sm&amp;xml=1622_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd11">11.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_12_sm&amp;xml=1622_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd13">13. 12.</ref>) und nach Neuburg an der Donau (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_12_sm&amp;xml=1622_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd16">16.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_12_sm&amp;xml=1622_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd18">18. 12.</ref>). Erst am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_12_sm&amp;xml=1622_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1622-12-30_35v">30. Dezember</ref> kam Christian II. endlich auch in den
Genuss der beharrlich erarbeiteten kaiserlichen Begnadigung und Freilassung.
</p>
<p>
<hi rend="bold">III.</hi> Die Verhängung der Reichsacht (22. 1. 1621) über Christian I., der ab 1618 als Senior des Hauses Anhalt und
damit zugleich als offizieller Träger aller anhaltischen Lehen amtierte, war formal mit dem Verlust seines territorialen Besitzes
verbunden. Nachdem er sich dem Reichsoberhaupt am 2. Juni 1621 schriftlich unterworfen und dieses daraufhin auf die Konfiskation
des Bernburger Landesteils vorläufig verzichtet hatte, ersuchten die Fürsten August von Anhalt-Plötzkau, Ludwig von Anhalt-Köthen
und Johann Kasimir von Anhalt-Dessau den Kaiser um eine baldige Wiederbelehnung.<note type="footnote">Vgl.
Johann Christoph Beckmann: Historie des Fürstenthums Anhalt, Bd. 2, Teil V, Zerbst 1710, S. 330f.</note> Ferdinand II. tat dies bis zur Aufhebung der Acht
(1624) nur mit „allergnädigst ertheilten Jndulten“, schloss allerdings bei einer Audienz für Christian II. dessen väterliche Lehen
davon ausdrücklich aus.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
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>10. Januar</ref>.</note> Diese einschränkende Klausel galt wahrscheinlich ebenso für die wenige Tage später erfolgte provisorische
Gesamtbelehnung der anhaltischen Fürsten, welche sich auf weitere sechs Monate erstreckte.<note type="footnote"
>Vgl. Tagebucheintrag vom <ref
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>18. Januar</ref>.</note> Einen nicht unwichtigen Schritt zur Lösung
dieses Problems bildete die öffentliche Erklärung des Kaisers vom Ende des Monats Dezember, dass der seit dem 8. November 1620 als
konföderierter Teilnehmer der Schlacht am Weißen Berg gefangene junge Anhaltiner fortan aus seiner „bißhero außgestandenen doch nicht
vnverschuldeten verhaftung“ gelöst sei und wieder „für einen freyen Reichsfürsten“ gehalten werde. Im Gegenzug gelobte dieser Ferdinand II.
und dem Haus Österreich „nicht allein in worten sondern auch in wercken“ ewige Dankbarkeit und Treue.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1622_12_sm&amp;xml=1622_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1622-12-30_35v"
>30. Dezember</ref>.</note> In der Tat fühlte sich Christian II.
bis zu seinem Tod diesem in Regensburg gegebenen Versprechen verpflichtet, ja machte es als Landesherr des Teilfürstentums Anhalt-Bernburg –
im Rahmen seiner begrenzten Möglichkeiten – von 1630 an zum unerschütterlichen Leitfaden seiner Reichspolitik.
</p>
</div>
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<title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1626-01"
>Einleitung zum Jahrgang 1626</date></title>
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<name>Christian II.</name>
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<surname type="toponymic">Anhalt-Bernburg</surname>
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<funder>Deutsche Forschungsgemeinschaft</funder>
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<date type="digitised" when="2018">2018</date>
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<change></change>
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<p>
<hi rend="bold">I.</hi> Im Jahr 1626 marschierten die Heere von Kaiser Ferdinand II. und der Katholischen Liga unter den Feldherren Albrecht
von Wallenstein und Graf Johann von Tilly in den überwiegend protestantischen Norden des Heiligen Römischen Reiches ein, um dort die Armeen
des Niedersächsischen Kreises unter König Christian IV. von Dänemark und des mit ihm verbündeten Grafen Peter Ernst II. von Mansfeld zu schlagen.
Am 25. April siegte Wallenstein an der strategisch wichtigen Dessauer Elbebrücke über Mansfeld, und in der Schlacht bei Lutter am Barenberge vom
27. August fügte Tilly dem dänischen König eine vernichtende Niederlage zu. Das Fürstentum Anhalt wurde auf Grund dieser Ereignisse nicht nur
vorübergehend zum Kriegsschauplatz, sondern für lange Zeit auch zu einem stark frequentierten Durchzugsgebiet.
</p>
<p>
<hi rend="bold">II.</hi> Christian II. verfolgte all jene Vorgänge über die regelmäßige Lektüre von „Avisen“ und „Zeitungen“ aus der Ferne. Er
befand sich damals mit seiner Gemahlin Eleonora Sophia, einer geborenen Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg,
auf einer im Vorjahr angetretenen Hochzeitsreise durch Frankreich und die Niederlande, deren Verlauf nicht durch autographe Tagebucheinträge
überliefert ist.<note type="footnote">Vgl. die auszugsweise Abschrift der Tagebucheinträge vom 1. Januar bis 3. November 1626 durch den fürstlichen
Sekretär Sigismund Ladisla in LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt. Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. XXIV, fol. 202r-233v.</note> Diese setzen nach einer
etwa zweieinhalbjährigen Unterbrechung erst mit dem <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_05_sm&amp;xml=1626_05.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd1">16. Mai 1626</ref>
wieder ein. Bis zum <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_06_sm&amp;xml=1626_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd28">28. Juni</ref>
hielt sich der Fürst mit seiner jungen Familie,
die am 21. April um den Sohn Berengar gewachsen war, größtenteils bei seiner verwitweten Großmutter Gräfin Magdalena von Bentheim, Steinfurt und
Tecklenburg in Schüttorf auf. Von hier aus reiste er für einige Tage nach Amsterdam (<ref
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und wurde auf dem Rückweg in Enschede durch
spanische Soldaten überraschend gefangen genommen, die ihn auf Befehl ihres Oldenzaaler Kommandanten Baron Jean-Jacques de Moncley allerdings
sofort wieder freilassen mussten (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_06_sm&amp;xml=1626_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd3">3. 6.</ref>).
Anfang Juli verlegte der Anhaltiner seinen Wohnsitz ins niederländische Harderwijk, wo die fürstliche
Familie ein durch den Köthener Onkel Ludwig angemietetes Haus bezog sowie intensive Kontakte zu einheimischen Adligen, Bürgern und Gelehrten
pflegte. Außerdem besuchte er von dort aus in Den Haag (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_07_sm&amp;xml=1626_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd26">26.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_07_sm&amp;xml=1626_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27. 7.</ref>),
Arnheim (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd15">15.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd21">21. 9.</ref>) und Amersfoort (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_10_sm&amp;xml=1626_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd1">1.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_10_sm&amp;xml=1626_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd2">2. 10.</ref>) dreimal den im Reich
geächteten Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Seine weiteren längeren „Harderwijker Reisen“ hatten erneut die Handelsmetropole Amsterdam
(<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd4">4.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd6">6. 9.</ref> und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_10_sm&amp;xml=1626_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd31">31. 10.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_11_sm&amp;xml=1626_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd11">2. 11.</ref>) und die Residenzstadt Den Haag (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27.</ref><ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd29">29. 9.</ref>) zum Ziel.
</p>
<p>
<hi rend="bold">III.</hi> Bei den Treffen Christians II. mit dem pfälzischen Kurfürstenpaar vermieden beide Seiten offenbar ganz bewusst jedes
öffentliche Gespräch über Themen der aktuellen oder vergangenen Politik. Der über 200 Personen umfassende und alljährlich mit insgesamt 260.000
Gulden aus London finanzierte Exilhofstaat<note type="footnote"
>Vgl. Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_07_sm&amp;xml=1626_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1626-07-28_41v"
>28. Juli</ref>.</note> des seit 1621 in den Vereinigten Niederlanden lebenden böhmischen „Winterkönigs“ und seiner englischen
Gemahlin Elisabeth sollte der Außenwelt vermutlich den Eindruck völliger Normalität vermitteln. Dementsprechend konnte oder wollte der anhaltische
Gast zumeist nicht mehr als den üblichen Zeitvertreib aus gemeinsamen Konversationen, Mahlzeiten, Spazierfahrten, Ausflügen und Kartenspielen in
sein Diarium notieren.<note type="footnote">Vgl. die Tagebucheinträge vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_07_sm&amp;xml=1626_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd26">26.</ref> und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_07_sm&amp;xml=1626_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27. Juli</ref> sowie <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1626-09-15_64v">15.</ref>, <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1626-09-17_66r">17.</ref>, <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd18">18.</ref>, <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd19">19.</ref> und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd21">21. September</ref>.</note>
Nur ein einziges Mal wurden unter vier Augen nicht näher qualifizierte ernsthafte Dinge („seria“) besprochen.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_09_sm&amp;xml=1626_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd19"
>19. September</ref>.</note> Und obgleich alle Anwesenden den Wittelsbacher mündlich stets als legitimen König von Böhmen behandelten,
registrierte Christian II. sehr wohl, dass dies in ihren schriftlichen Dokumenten allein die Vertreter Dänemarks, Schwedens, Savoyens, Venedigs und der Generalstaaten taten,
während die englischen, französischen, lothringischen und württembergischen Gesandten lediglich die Anrede
eines „Churfürsten Pfaltzgraffen“ verwendeten. Gewiss aus eigener leidvoller Erfahrung der Landlosigkeit seines zwischen 1621 und 1624 ebenso
der Reichsacht unterworfenen Vaters kommentierte der Anhaltiner diese Beobachtung mit den Worten: „Ein Tittel ohne landt, ist wie ein vogel ohne
federn, oder fisch sonder schupen, oder ein bloßer, vnbekleideter Mensch.“<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_10_sm&amp;xml=1626_10.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1626-10-20_77v"
>20. Oktober</ref>.</note>
</p>
<p>
<hi rend="bold">IV.</hi> Die in Harderwijk verbrachten Monate bieten darüber hinaus einen interessanten Einblick in das nicht immer ungetrübte
Verhältnis des Fürsten und seiner Familie zur niederländischen reformierten Geistlichkeit, die wahrscheinlich viel selbstbewusster auftrat, weil
sie deutlich weniger hierarchisch als die anhaltische Landeskirche organisiert war.<note type="footnote">Vgl. dazu den Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_07_sm&amp;xml=1626_07.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1626-07-06_29r">6. Juli</ref>:
„Es hat keine superintendenten in Niederlandt, sondern die pfarrer seindt gleich.“</note> Dass einer der drei örtlichen Pfarrer in seiner
Morgenpredigt vom 6. August „die spitzen“ an den Kleidern des fürstlichen Frauenzimmers in aller Öffentlichkeit rügte, beantwortete der Anhaltiner
noch mit einem stillschweigend demonstrativen Verzicht auf seinen gewohnten zweiten Kirchgang am Nachmittag.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1626_08_sm&amp;xml=1626_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd6"
>6. August</ref>.</note> Doch als die Stadtprediger Johannes Rhodius und Otto van Heteren gegen Ende Dezember ihn selbst und seine Gemahlin
Eleonora Sophia vor der versammelten Gemeinde wegen ihrer zu prächtigen Kleidung dem Teufel verfallen wähnten und beide mit Türken, Juden und Heiden
verglichen, da sie mit ihrem Handeln Gott verleugneten, welchen sogar Esel und Ochsen mehr achten würden, empfand Christian II. hierdurch die Grenze
des ehrenhaft Tolerierbaren klar überschritten. Empört schickte er darauf seinen Hausarzt Dr. Bartholomäus Backofen zu den Harderwijker Geistlichen,
um sie wegen ihrer unerhörten Grobheit gebührend zurechtweisen und für die Zukunft zu angemesseneren Formen des Umgangs mit hochadligen Standespersonen
auffordern zu lassen.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
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>28. Dezember</ref>.</note> Denn auch im Gottesdienst galt für ihn ohne jede Einschränkung das Prinzip, dass die weltliche Ordnung durch das
„Evangelium“ nicht aufgehoben werde.<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
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>30. Dezember</ref>.</note>
</p>
</div>
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<title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1627-01">Einleitung zum Jahrgang 1627</date></title>
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<name>Christian II.</name>
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<p>
<hi rend="bold">I.</hi> Im Jahr 1627 setzten die kaiserlich-ligistischen Heere ihren erfolgreichen Feldzug gegen den niedersächsischen
Kreisobristen König Christian IV. von Dänemark fort. Nachdem er dessen Bundesgenossen Graf Peter Ernst II. von Mansfeld in Ungarn geschlagen
hatte, marschierte Albrecht von Wallenstein bis zum Sommer nicht nur in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, sondern auch in das gesamte
dänische Festland ein. Das Fürstentum Anhalt diente ihm dabei weiterhin als ein sehr wichtiges Durchzugsgebiet für den Nachschub an Truppen,
Nahrung und Material aus den habsburgischen Erblanden.
</p>
<p>
<hi rend="bold">II.</hi> Die erste Jahreshälfte verbrachte Christian II. mit seiner Gemahlin Eleonora Sophia und dem Sohn Berengar größtenteils
im gelderländischen Harderwijk, wo er viel las, gelegentlich Lehrveranstaltungen am örtlichen Gymnasium Illustre besuchte und bei einem zum Calvinismus
konvertierten Sepharden spanischen Sprachunterricht nahm. In dieser Stadt an der damaligen Zuidersee erreichte ihn auch am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1627_01_sm&amp;xml=1627_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd21">21. Januar</ref> die Todesnachricht
von seiner Großmutter Gräfin Magdalena von Bentheim, Steinfurt und Tecklenburg. Nur noch einmal begab sich der Fürst von hier aus zwei Tage lang nach
Amsterdam (<ref
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Für den 13. Mai bis 15. November sind erneut keine autographen Tagebucheinträge überliefert.<note type="footnote">Vgl. die auszugsweise
Abschrift der Tagebucheinträge vom 12. April bis 5. November 1627 durch den fürstlichen Sekretär Sigismund Ladisla in LASA Dessau-Roßlau, Z 18 Abt.
Bernburg, A 9b Nr. 14 Bd. XXIV, fol. 234r-248v.</note>
In diesen Zeitraum fällt die Anfang August beendete Rückreise der fürstlichen Familie über Hamburg, Ahrensbök, Güstrow, Wittstock und Berlin
nach Bernburg, das kurze Leben der Tochter Sophia (15. 8.–11. 9.), der frühe Tod von Berengar (17. 10.) und die Übersiedlung auf Schloss
Ballenstedt (5. 11.), wo das Paar fortan residierte.
</p>
<p>
<hi rend="bold">III.</hi> Vom November 1627 bis zu seinem Regierungsantritt im Bernburger Landesteil am 18. April 1630 fungierte Christian II. im
Ballenstedter Amtsbezirk als eine Art Statthalter seines Vaters. Da Christian I. die landesherrliche Hoheit weiterhin allein ausübte<note type="footnote"
>Vgl. Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1627_11_sm&amp;xml=1627_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1627-11-26_21r">26. November</ref>.</note>,
waren die Herrschaftsbefugnisse des jungen Fürsten um seinen neuen Wohnsitz auf die eines größeren Grundherrn beschränkt. Dass sich dieser von
Anbeginn mit den ihm übertragenen Aufgaben unterfordert und seine Fähigkeiten vergeudet fühlte, zeigt sein späterer Tagebucheintrag vom 7. Februar
1630: Er habe „numehr lang genueg alhier zu Ballenstedt an diesem elenden verdorbenen ortt stille geseßen“, sei noch in seinen „besten Jahren“ und
wollte dort „nicht gerne, gantz verschimmeln“.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1630_02_sm&amp;xml=1630_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1630-02-07_53r">7. Februar 1630</ref>.</note>
Einstweilen blieb ihm so keine andere Wahl, als das Weltgeschehen vom ruhigen Nordrand des Harzes aus zu beobachten und zu kommentieren. Als besonders
bemerkenswert erscheint in diesem Kontext eine geradezu prophetische Notiz des Dezembers 1627, laut der Christian II. seine „reformirte Religion“ damals
nicht nur in Frankreich (wegen der belagerten Hugenottenfestung La Rochelle), sondern auch im Reich von der Ausrottung bedroht sah, aber trotzdem seit
einiger Zeit glaubte, dass sich im Jahr 1630 alles ändern und sein Bekenntnis bis dahin mit „grande fortune“ fortbestehen werde.<note type="footnote"
>Vgl. Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1627_12_sm&amp;xml=1627_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1627-12-13_35r">13. Dezember</ref>: „Es
scheinett daß die Reformirte Religion solle auß dem Reich vertilgett werden, vndt daß Gott selbsten vnß hart seye. J'ay l'opinion dès quelques anneès, que tout [...]
se changera, l'an 1630 et que iusques là, leur grande fortune doibt continuer excessivement. Gott verleyhe den wahren Christen, gedullt, vndt beständigkeitt. Amen.“</note>
Er sollte damit Recht behalten.
</p>
</div>
</body>
</text>
</TEI>
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<title><!--Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: -->Biographie des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg</title>
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<name>Christian II.</name>
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<p>
<lb/>Christian II. von Anhalt-Bernburg entstammte dem alten Hochadelsgeschlecht der Askanier und wurde am 11. August 1599 als zweiter Sohn des
Fürsten Christian I. (1568–1630) und dessen Gemahlin Anna Gräfin von Bentheim (1579–1624) in Amberg geboren, wo sein Vater seit 1595 als kurpfälzischer
Rat und Statthalter der Oberpfalz amtierte. Nach seiner ab 1605 in Dessau erhaltenen Erziehung, dem Studium in Genf (1608/09) und Lyon (1609/10) sowie
seiner ersten Kavalierstour durch Italien (1613/14) diente der Prinz auf väterlichen Wunsch 1616/17 in Begleitung des Burggrafen Christoph von Dohna
(1583–1637) als Volontär im savoyischen Heer. Anschließend begab er sich zur Fortsetzung seiner Ausbildung an den Hof König Jakobs I. von England (1617/18).
Seit seiner Rückkehr beteiligte ihn sein Vater verstärkt an den laufenden Staatsgeschäften und übertrug ihm 1619/20 das Kommando über zwei böhmische Regimenter,
welche für die protestantischen Stände des Königreichs kämpften. In der Entscheidungsschlacht am Weißen Berg vom 8. November 1620 wurde Christian d. J. schwer
verwundet und geriet in kaiserliche Kriegsgefangenschaft, aus der ihn erst Ende 1622 sein für alle Zukunft verbindlicher Treueschwur gegenüber dem Haus Habsburg
löste. Danach trat er seine zweite Italien-Reise (1623/24) an und erreichte bei Kaiser Ferdinand II. schließlich auch die Begnadigung seines bis dahin mit der
Reichsacht belegten und ins dänische Exil geflohenen Vaters. Von einem im Anschluss geplanten Besuch Spaniens hatten ihm seine Verwandten erfolgreich abgeraten.
Am 17. März 1625 heiratete der Askanier die lutherische Herzogin Eleonora Sophia von Schleswig-Holstein-Sonderburg (1603–1675), mit der er zunächst Frankreich
und die Niederlande (1625–27) bereiste, bevor er mit ihr drei Jahre auf Schloss Ballenstedt residierte.
</p>
<p>
<lb/>Im April 1630 starb der alte Fürst und Christian II. übernahm auf Grund des damals noch fehlenden Primogeniturrechts gemeinsam mit seinen beiden jüngeren
Brüdern Ernst (1608–1632) und Friedrich (1613–1670), dem er 1635 die Ämter des sogenannten Harzdistrikts als halbeigenständiges Territorium überlassen musste,
die Regierung des Bernburger Landesteils. Seine Herrschaft blieb jedoch dauerhaft von den katastrophalen Auswirkungen und Folgen des Dreißigjährigen Krieges
überschattet. Das vergleichsweise kleine und mindermächtige mitteldeutsche Fürstentum diente alliierten wie feindlichen Soldaten zwischen 1625 und 1650 nahezu
ununterbrochen zum Auf- und Durchmarsch sowie zur Quartiernahme. In den Jahren 1626 (Schlacht an der Dessauer Brücke), 1636 und 1641 (jeweils Vertreibung der
Schweden durch kaiserliche bzw. kursächsische Truppen) sowie 1644 (mehrmonatiges Stilllager beider Hauptarmeen vor Bernburg, schließlich Flucht des
kaiserlich-kursächsischen Heeres vor dem schwedischen) war es von Kampfhandlungen sogar direkt betroffen. Das Eingreifen König Gustavs II. Adolph in den
„Teutschen Krieg” (1630) und dessen militärische Erfolge von 1631 zwangen die Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen (1579–1650), August von Anhalt-Plötzkau (1575–1653),
Johann Casimir von Anhalt–Dessau (1596–1660), Johann VI. von Anhalt-Zerbst (1621–1667) und – wenngleich wegen seines Loyalitätseides gegenüber dem Reichsoberhaupt
unter anfänglichem Protest – auch Christian II. von Anhalt-Bernburg Mitte September 1631 zu einem Bündnis mit Schweden, das aber bereits durch ihren Beitritt zum
Prager Friedensvertrag zwischen Kaiser Ferdinand II. und Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen vom Mai 1635 beendet wurde. Mehrfach ersuchte Christian die beteiligten
Kriegsparteien persönlich um die Schonung seines demographisch, finanziell und wirtschaftlich ausgebluteten Kleinterritoriums, erzielte damit allerdings keinen
nachhaltigen Erfolg. Nicht einmal die Beschießung seines Bernburger Residenzschlosses (1636 und 1641) vermochte der Fürst zu verhindern. Wiederholt sah er sich
deshalb genötigt, seine Familie und wertvolle Gegenstände zeitweise außerhalb des Landes in Sicherheit zu bringen. Seine parallelen Bewerbungen um eine standesgemäße
Charge in kaiserlichen oder polnischen Kriegsdiensten schlugen ebenfalls fehl, verschafften ihm 1629 jedoch wenigstens die Würde eines Ehrenkämmerers am Wiener Hof
und den damit verbundenen Anspruch auf eine jährliche Pension von etlichen tausend Reichstalern. Als sich die Lage in Anhalt etwas beruhigt hatte, reiste Christian II.
1645/46 mit seinen ältesten Söhnen Erdmann Gideon (1632–1649) und Viktor Amadeus (1634–1718) in die Vereinigten Niederlande, wo der Leidener Theologieprofessor
Friedrich Spanheim d. Ä. (1600–1649) die beiden Prinzen als Schüler annahm. Um seine dynastischen, konfessionellen und politischen Interessen zu wahren, besuchte
er auf dem Weg dorthin nicht zuletzt den damals begonnenen Friedenskongress in Münster und Osnabrück. Im Sommer 1654 begleitete der Fürst dann auch seinen jüngsten
Sohn Karl Ursinus (1642–1660) in die Generalstaaten. Während der Jahre vom Westfälischen Frieden bis zu seinem Tod am 21. September 1656 widmete er sich zuletzt der
Reorganisation des anhaltischen Steuer-, Schulden- und Rechtswesens.
</p>
<p>
<lb/>Trotz aller Widrigkeiten war Christian nicht nur einer der literarisch und sprachlich interessiertesten Reichsfürsten des Barock, sondern auch eines der
aktivsten hochadligen Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft, der er bereits seit 1622 unter dem Namen „Der Unveränderliche” angehörte. Dieser Ruf beruht –
neben einigen Gelegenheitsdichtungen – primär auf seinen deutschen Übersetzungen von Mambrino Roseos Guevara-Bearbeitung „L’institutione del prencipe christiano”
(1639), Charles Drelincourts „De la Persévérance des Saints” (1641), und Jean Daillés „Les dernières heures de M. Du Plessis Mornay” (1641) sowie einer französischen
Fassung der „Hypothekai basilikes agoges” des oströmischen Kaisers Manuel II. Palaeologus (1650).
</p>
</div>
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<title><!--Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: -->Dynastische Geschichte der Fürsten von Anhalt</title>
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<name>Christian II.</name>
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<p>
<lb/><hi rend="bold">I.</hi> Mit dem Begriff "Anhalt" bezeichnete man noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts primär die dort herrschende Dynastie.<note type="footnote">Vgl. Jan Brademann / Michael Hecht: Anhalt vom Mittelalter bis 1918 – Eine integrative Dynastie- und Herrschaftsgeschichte, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 141/142 (2005/06), S. 557.</note> Er geht auf die gleichnamige Stammburg des Fürstenhauses über dem Selketal im Unterharz zurück, die erstmals 1140 wegen ihrer Zerstörung durch die Welfen erwähnt wurde. Sie fungierte trotz ihrer wichtigen Eigenschaft als Reichsfahnlehen nur relativ kurzzeitig als adlige Residenz, ja war zwischen 1413 und 1536 sogar verpfändet. Nach aktuellem Wissenstand verwendete zuerst Albrecht der Bär (gest. 1170) den anhaltischen Namen, indem er eine seiner Brakteaten mit der Umschrift "Adelbertus Marchio Anhehaldensis" versehen ließ. Der Titel "princeps in Anhalt" erscheint dagegen erstmals in einer Urkunde Heinrichs I. (gest. 1252) aus dem Jahr 1215. Nach dessen Tod führten lediglich die Aschersleber (bis 1315) bzw. die Bernburger Linie permanent diesen Fürstentitel. Bereits damals gewann der Name der Burg jedoch so viel an Attraktivität, dass sukzessive auch andere Mitglieder der Dynastie ihre Herrschaftsrechte als "Grafen von Anhalt" ausübten. Ab dem Spätmittelalter verliehen die Kaiser das Harzer Fahnlehen zusammen mit dem Reichsfürstentitel dann immer wieder neu an alle erwachsenen männlichen Familienmitglieder. Vor dieser Zeit kann von einem "Haus Anhalt" in dynastischer Hinsicht keine Rede sein. Dass die Bedeutung der abgelegenen und nach etwa 1550 dem Verfall preisgegebenen Burg besonders während des 14. Jahrhunderts in diesem Maße zugenommen hatte, resultierte vor allem aus dem einschneidenden Verlust des Reichslehens Ascharien (1322), das nach dem Aussterben der Grafen von Aschersleben (1315) an das Hochstift Halberstadt gefallen war und durch ein adäquates reichsunmittelbares Lehen ersetzt werden musste, welches hinreichend Schutz vor den gefährlichen Hegemonialbestrebungen der mächtigeren Nachbarn versprach.<note type="footnote">Vgl. Jan Brademann: Ursprungsort, Herrschaft und Territorium kleinerer Reichsfürsten. Burg und Fürstentum Anhalt bis ins 16. Jahrhundert, in: Werner Freitag / Michael Hecht (Hg.), Die Fürsten von Anhalt. Herrschaftssymbolik, dynastische Vernunft und politische Konzepte in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Studien zur Landesgeschichte, Bd. 9), Halle/Saale 22009, S. 56-66.</note>
</p>
<p>
<lb/><hi rend="bold">II.</hi> Die einschlägigen genealogischen Nachschlagewerke behandeln die Anhaltiner in der Regel als Teil eines durch Albrecht den Bären begründeten Hochadelsgeschlechts der "Askanier", zu dem die Fürsten von Anhalt ebenso gehören wie zeitweilig die Markgrafen von Brandenburg (1134/57 bis 1319/20), die Grafen von Weimar-Orlamünde (1140 bis 1372/1486), die Herzöge bzw. ab 1356 Kurfürsten von Sachsen-Wittenberg (1180 bis 1422) und die Herzöge von Sachsen-Lauenburg (1180 bis 1689). Ein solch übergreifendes "domus Ascaniae" war den mittelalterlichen Protagonisten der Dynastie noch völlig unbekannt, obwohl sie Albrecht und dessen Nachkommen ganz zweifellos zu ihren Ahnen zählten, wie nicht zuletzt die vergeblich erhobenen Ansprüche der Anhaltiner und Lauenburger auf das brandenburgische und kursächsische Erbe von 1320 bzw. 1422 belegen. Dass alle diese früh voneinander getrennten Zweige im Verlauf des 16. Jahrhunderts immer häufiger als "askanisch" identifiziert wurden, ist deshalb als recht erfolgreiches Produkt der damaligen anhaltischen Geschichtsschreibung zu sehen. Diese benutzte die Quellenbegriffe "Anhalt" und "Askanien" (letzterer abgeleitet von "Ascharia" bzw. "Asschania" für die verlorene Grafschaft Aschersleben) als Synonyme und stellte die mindermächtigen Anhaltiner als Ursprung und Zentrum des wesentlich potenteren Herrschergeschlechts der Askanier dar. Dieses Konstrukt bot gleich zwei Vorteile: Zum einen ließ sich damit die bis 1648 bei jeder Gelegenheit erneuerte Forderung nach der Restitution der Grafschaft Aschersleben, die Fürst Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656) in seinem Tagebuch wiederholt als "Ascanische sache" thematisiert, historisch legitimieren. Zum anderen schuf die Selbstbezeichnung des anhaltischen Fürstenhauses als "Askanier" zumindest eine etymologische Verbindung zu Ascanius, dem fiktiven Sohn des trojanischen Helden Aeneas, den zahlreiche Humanisten als Askenaz (Aschkenaz) aus der Völkertafel (Gen. 10, 3) mit dem germanischen Gott Tuiscon gleichsetzten und zum biblischen Stammvater aller Deutschen erklärten. Auf diese Weise betonten die fürstlichen Chronisten nicht allein die Anciennität der Anhaltiner, sondern inszenierten sie ebenso als Teilhaber an einem der mythischen Wurzelstränge ihrer Nation.<note type="footnote">Vgl. Michael Hecht: Die Erfindung der Askanier. Dynastische Erinnerungsstiftung der Fürsten von Anhalt an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 33 (2006), S. 1, 8 und 25-29.</note>
</p>
<p>
<lb/><hi rend="bold">III.</hi> Vom 11. bis 14. Jahrhundert waren die Askanier von einem im Gebiet des Unterharzes ansässigen Grafengeschlecht durch Belehnungen, Erbfälle und Heiraten zu einer der bedeutendsten Fürstendynastien des Reiches aufgestiegen: Es gelang ihnen zunächst, ihre Harzherrschaften vor allem durch den Erwerb der Grafschaft Aschersleben sowie der Vogteien über die reichsunmittelbaren Klöster Gernrode und Nienburg zu arrondieren. Auf der Basis ihrer so errungenen regionalen Vormachtstellung vermochten die beiden folgenden Generationen sowohl ihre Stammlande bis zur Elbe und Mulde auszudehnen als auch in die Reichspolitik einzugreifen. Ihren Einsatz für die Partei der Staufer belohnte der Kaiser, indem er Albrecht den Bären 1124 mit der Mark Lausitz und 1134 mit der Nordmark (ab 1157 Mark Brandenburg) und dessen jüngsten Sohn Bernhard (1140-1212) nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) mit den östlichen Teilen des alten Welfenherzogtums Sachsen belehnte. Da die hinzugewonnenen Gebiete durch ihre Erben sofort vom anhaltischen Kernland abgetrennt wurden, konnte sich aber weder ein dauerhaft zusammenhängender Herrschaftskomplex noch eine gemeinsame dynastische Identität aller askanischen Linien herausbilden. Selbst Anhalt war von Teilungen nicht ausgenommen. Seit dem Tod Fürst Heinrichs I. (1252), dem Sohn Herzog Bernhards, regierten hier zwei oder drei Familienzweige, deren Besitz- und Herrschaftsrechte größtenteils auf Lehen beruhten, die es gegenüber benachbarten Konkurrenten immer wieder zu verteidigen galt. Die Belehnung des Bischofs von Halberstadt mit der Grafschaft Aschersleben im Jahr 1322 zeigt, wie wenig selbstverständlich früher Erreichtes der Dynastie erhalten blieb. Neben den Landesteilungen sorgten damit einhergehende finanzielle Engpässe dafür, dass die Anhaltiner schon im ausgehenden Mittelalter zu einem der kleineren Reichsfürstengeschlechter abzusinken begannen, dessen Anwartschaften auf Aschersleben, Brandenburg und Kursachsen kaum mehr Aussicht auf Erfolg hatten. Um 1500 war für sie angesichts hoher Schulden, weiträumiger Verpfändungen und fortwährender Erbstreitigkeiten auch keine bessere Zukunft zu erwarten.<note type="footnote">Vgl. Brademann / Hecht: Anhalt vom Mittelalter bis 1918, S. 534-539.</note>
</p>
<p>
<lb/><hi rend="bold">IV.</hi> Die schwierige Lage und mehrere Todesfälle führten Anfang des 16. Jahrhunderts jedoch zum allmählichen Erwachen einer "dynastischen Vernunft", die auf mehr Einheit und Familienbewusstsein unter den Fürsten von Anhalt abzielte. Eine wichtige Voraussetzung dafür war die identitätsstiftende Kenntnis der Herkunft ihres Geschlechts und dessen Geschichte bis zur Gegenwart, die sie nach dem zeitgenössischen Vorbild anderer hochadliger Häuser stärker denn je mit der Kette ihrer Ahnen verbinden sollte. Gelehrte aus dem fürstlichen Umfeld wurden zunächst mit dem Zusammentragen entsprechender Quellen und anschließend mit dem Verfassen von Genealogien oder Familienchroniken beauftragt. Als erster überreichte der Benediktinermönch und Prior des Klosters Ballenstedt Heinrich Basse den Anhaltinern einen bei ihm bestellten "Panegyricus" (1519). Dem folgte nach einigen weiteren Versuchen in den 1530er Jahren um 1540 die "Anhaltische Chronica" eines unbekannten Hofhistoriographen. Die breiteste Rezeption nach innen wie außen fand allerdings Ernst Brotuffs detaillierte "Genealogica und Chronica des Königlichen und Fürstlichen Hauses der Fürsten zu Anhalt", die erstmals 1556 gedruckt wurde und 1602 sogar in einer zweiten Auflage erschien. Die ähnlich betitelte und 1587 vollendete Arbeit des Dessauer Hofarchivars Bartholomäus Schwanberg(er) betrachteten die Auftraggeber mit ihren 2.000 Manuskriptseiten dagegen wohl als zu umfangreich, um sie als Buch zu veröffentlichen. Alle diese Werke bemühten sich, das Alter der Dynastie als besonders hoch nachzuweisen. Während die "Anhaltische Chronica" nach spätmittelalterlichem Muster noch einen "Ursinus", der 669 als römischer Generalstatthalter in Deutschland eingesetzt worden sei, zum Stammvater der Anhaltiner machte, konstruierte Brotuff – der inzwischen gewandelten Mode gehorchend – einen germanischen Ursprungsmythos, der mit den "Beringern" sächsische Kriegskönige des 6. Jahrhunderts als Vorfahren der italienischen "Fürsten von Ursin" (Orsini) und damit des Hauses Anhalt propagierte. Bei Christian II. von Anhalt-Bernburg bewirkten diese beiden dynastischen Herkunftsimaginationen immerhin, dass er zwei seiner Söhne Beringer (1626-1627) und Karl Ursinus (1642-1660) nannte. Welche Zwecke darüber hinaus die Kreation eines von Albrecht dem Bären abgeleiteten "domus Ascaniae" erfüllte, wurde oben schon skizziert. Das gewachsene Repräsentationsbedürfnis der anhaltischen Fürsten spiegelten seit etwa 1540 außerdem mehrere prächtige Renaissancebauten und eine expandierende Hofhaltung wieder. Auch ihr sichtbares Engagement für Martin Luther und die Sache der Reformation verschaffte den Askaniern eine intensiv genutzte Bühne zur standesgemäßen Selbstinszenierung. Seinen Kulminationspunkt erreichte jener Stabilisierungsprozess unter Fürst Joachim Ernst (1536-1586), der von 1570 bis zu seinem Tod alle bisherigen Teile Anhalts von Dessau aus regierte.<note type="footnote">Vgl. ebd., S. 539-547, und Hecht: Erfindung der Askanier, S. 8-21.</note>
</p>
<p>
<lb/><hi rend="bold">V.</hi> Nach Joachim Ernsts Ableben übernahm der älteste Sohn Johann Georg I. (1567-1618) als Vormund seiner sechs jüngeren Brüder ebenso die Regierung des gesamten Landes. Doch da die Normen der ständischen Gesellschaft jener Epoche prinzipiell jedem legitimen Fürstenspross die Ausübung landesherrlicher Herrschaftsrechte zubilligte, wurde im Jahr 1603 erneut ein Erbteilungsvertrag vereinbart. Weil Bernhard (1571-1596) und Johann Ernst (1578-1601) inzwischen gestorben waren und August (1575-1653) gegen die Auszahlung von 300.000 Talern auf ein eigenes Territorium verzichtet hatte, zerfiel Anhalt ab 1606 zunächst "nur" in vier Teilfürstentümer: Johann Georg bekam Dessau, Christian I. (1568-1630) Bernburg, Rudolph (1576-1621) Zerbst und Ludwig (1579-1650) Köthen; 1611 erhielt dann auf Grund seines kostspieligen Lebenswandels auch August mit dem zuvor fürstlich-bernburgischen Amt Plötzkau eine fünfte eigenständige Herrschaft. Sämtliche Reichssachen und auswärtigen Rechtsstreite, das Archiv, Kirchenregiment, Schul- und Militärwesen, die Restitution Ascherslebens, Bergwerke, Steuererhebung, Schuldentilgung, Landesordnung und Versorgung der unverheirateten Schwestern sollten hingegen als Angelegenheiten der "Gesamtung" weiterhin von allen regierenden Anhaltinern auf regelmäßigen Treffen gemeinsam beraten und entschieden werden. Nach außen vertrat immer das dienstälteste männliche Mitglied der Familie – in dem für diese Edition relevanten Zeitraum Christian I. von Anhalt-Bernburg (1618 bis 1630), August von Anhalt-Plötzkau (1630 bis 1653) und Johann Kasimir von Anhalt-Dessau (1653 bis 1660) – als Inhaber des "Seniorats" die dynastischen und territorialen Interessen des Hauses bzw. Fürstentums Anhalt. Zur Finanzierung ihrer Aufgaben verfügten die amtierenden Senioren über vertraglich fixierte Einnahmequellen (z. B. das Stift Gernrode).<note type="footnote">Vgl. Hermann Wäschke: Geschichte Anhalts von der Teilung bis zur Wiedervereinigung (Anhaltische Geschichte, Bd. 3), Köthen 1913, S. 7-15, und Michael Hecht: Anhalt und die Dynastie der Askanier in der Frühen Neuzeit, in: Mitteilungen des Vereins für Anhaltische Landeskunde 21 (2012), S. 95f.</note> Auch die Generation der Enkel Joachim Ernsts sah sich – wenngleich in deutlich geringerem Maße – zu weiteren Aufteilungen ihrer kleinen Herrschaftsgebiete zugunsten jüngerer Brüder genötigt: 1632 musste Johann Kasimir von Anhalt-Dessau (1596-1660) das Amt Wörlitz an Georg Aribert (1606-1643)<note type="footnote">Vgl. Wäschke: Geschichte Anhalts, S. 103.</note>, 1635 Christian II. von Anhalt-Bernburg die beiden Harzämter Harzgerode und Güntersberge an Friedrich (1613-1670) abgeben.<note type="footnote">Vgl. Karl-Heinz Börner: Die sechste Residenz. 74 Jahre Fürstensitz Harzgerode (1635-1709), in: Werner Freitag / Michael Hecht (Hg.), Die Fürsten von Anhalt. Herrschaftssymbolik, dynastische Vernunft und politische Konzepte in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (Studien zur Landesgeschichte, Bd. 9), Halle/Saale 22009, S. 202f.</note> Den Grundsatz der Primogenitur führten die bis dahin fortbestehenden Linien erst zwischen 1676 und 1727 ein.<note type="footnote">Vgl. Brademann / Hecht: Anhalt vom Mittelalter bis 1918, S. 556.</note>
</p>
<p>
<lb/><hi rend="bold">VI.</hi> In Anbetracht ihrer gefährdeten Position als mindermächtiger Reichsstand intensivierten die Fürsten von Anhalt gegen Ende des 15. Jahrhunderts ihre persönlichen Beziehungen zu den Habsburgern. So diente Magnus (1455-1524) vor seiner Amtszeit als Dompropst von Magdeburg Friedrich III. ab 1492 als kaiserlicher Rat und seit 1496 als Assessor am Reichskammergericht, während Rudolph "der Tapfere" (gest. 1510) das besondere Vertrauen des späteren Kaisers Maximilian I. erwarb, weil er diesen auf mehreren Feldzügen begleitet hatte. Die im Rahmen derartiger Funktionen geknüpften Kontakte zu größeren fürstlichen Höfen dürften nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass die Anhaltiner in den folgenden Dekaden kulturelle Strategien entwickelten, um ihre materiell prekäre Herrschaft im mitteldeutschen Raum hinreichend zu legitimieren und dauerhaft abzusichern. Mit Hilfe des historiographisch untermauerten Verweises auf die Macht und Ehrwürdigkeit ihrer königlich-beringischen wie kurfürstlich-askanischen Vorfahren wollten die Fürsten von Anhalt in erster Linie ihre Gleichrangigkeit mit den dominierenden Nachbardynastien der Hohenzollern und Wettiner betonen. Diesen rein formalen und keineswegs auf eine Rückforderung ehemaliger Territorien hinauslaufenden Anspruch drückte von etwa 1540 an nicht zuletzt das neue anhaltische Landes- und Familienwappen aus, dessen gespaltener Mittelschild je zur Hälfte aus dem brandenburgischen Adler und dem sächsischen Rautenkranz gebildet wurde.<note type="footnote">Vgl. ebd., S. 542-544, und Hecht: Erfindung der Askanier, S. 21-24.</note> Die mit dem Beginn der frühen Neuzeit sich wieder verbessernde Stellung der Anhaltiner im Reichsverband ist auch an einer Aufwertung des sozialen Spektrums ihrer Heiratsoptionen ablesbar. Überwogen im 15. Jahrhundert noch klar die Konnubien mit Grafen- und Herrengeschlechtern aus der Region (Barby, Mansfeld, Schwarzburg, Lindau-Ruppin), schlossen vor allem nach der Reformation immer öfter Mitglieder der Dynastie Ehen mit Angehörigen führender reichsfürstlicher Häuser. Allerdings waren diesem Aufwärtstrend gewisse finanzielle Grenzen gesetzt, denn allein schon die Verabredung einer Hochzeit kostete zum Beispiel für die Aussteuer oder Widerlage hohe Geldsummen.<note type="footnote">Vgl. Hecht: Erfindung der Askanier, S. 5-7, und Ders.: Anhalt und die Dynastie der Askanier, S. 98f.</note> Die dynastischen Verhältnisse der Fürsten von Anhalt veranschaulichen weit über die Zeitspanne der Tagebücher Christians II. hinaus auf geradezu exemplarische Weise die angestrengte ständische, politische, territoriale, konfessionelle und kulturelle Selbstbehauptung eines eher unbedeutenden Reichsstandes, der seinen Status auch später nur durch die Anlehnung an größere Nachbarn wie Kurbrandenburg-Preußen und Heiratsallianzen wie mit dem Haus Oranien zu wahren vermochte.
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<title><!--Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: -->Projektbeschreibung</title>
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<name>Christian II.</name>
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<surname type="toponymic">Anhalt-Bernburg</surname>
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<principal>Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.</principal>
<principal>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</principal>
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<lb/><hi rend="bold">I.</hi> Die digitale Edition der Tagebücher des reformierten Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656) aus dem Zeitraum von 1621 bis 1656 erschließt einen quantitativ wie qualitativ ganz einzigartigen Brennspiegel der deutschen und europäischen Geschichte sowie der unterschiedlichen Diskurse während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Darüber hinaus weist die Quelle einen außergewöhnlich hohen Anteil an verbalisierter zeitgenössischer Subjektivität auf, der dem Text stellenweise sogar eine gewisse literarische Qualität verleiht. Die transdisziplinäre Bedeutung des Werkes bettet sich in vielfältige Interessen und Kontexte der aktuellen Forschung ein. Dazu gehören nicht nur die jüngsten Untersuchungen zur klassischen Politik- und Militärgeschichte, zu frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen, zur Sozial-, Alltags­ und Geschlechtergeschichte, zur Konfessionalisierung, zu verschiedenen Aspekten des Dreißigjährigen Krieges, zur Hof- und Adelsforschung oder zur Sprach-, Literatur- und allgemeinen Kulturgeschichte, sondern auch zu Themen wie der Geschichte der Emotionen und des Traumes in jener Epoche. Als eine den gegenwärtigen wissenschaftlichen Standards entsprechende digitale Edition wird sie einem großen Spektrum an Forschungsperspektiven zahlreiche Anknüpfungspunkte bieten können.
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<lb/><hi rend="bold">II.</hi> Das in quantitativer wie qualitativer Hinsicht unübertroffene, im Landesarchiv Dessau-Roßlau aufbewahrte Diarium besteht aus 23 Bänden mit ungefähr 17.400 größtenteils eigenhändig in deutscher (ca. 87%), französischer (ca. 11%), italienischer (ca. 1%), lateinischer, spanischer und niederländischer Sprache beschriebenen Seiten. In zwei zusätzlichen, im Rahmen dieses Projekts nicht zu edierenden jeweils rund 500-seitigen Folianten fasste Christians Sekretär Sigismund Ladisla in gekürzter Form die partiell verschollenen fürstlichen Eintragungen der Jahre 1620 bis 1627 nebst einigen früheren Aufzeichnungen zusammen. Dass der Fürst an dieser von allen zu offenen und geheimen Äußerungen gereinigten Version seines Lebensdokuments intensiv mitwirkte, reflektiert die immense Bedeutung, welche er von Anbeginn jener alltäglichen Praxis der persönlichen Rechenschaftslegung beimaß, die ihm Selbstvergewisserung gewähren und Trost spenden sollte.<note type="footnote">Vgl. die Überblicke von Klaus Conermann: Editionsdesiderate. Die Werke der Fürsten Ludwig und Christian II. von Anhalt im Kontext der Akademiearbeiten der Fruchtbringenden Gesellschaft. Erster Teil, in: Hans-Gert Roloff (Hg.), Editionsdesiderate der Frühen Neuzeit. Beiträge zur Tagung der Kommission für die Edition von Texten der Frühen Neuzeit (Chloe. Beihefte zum Daphnis, Bd. 24), Amsterdam/Atlanta 1997, S. 473-479, und Andreas Herz: „... ma fatale destinèe ...“. Krisen- und Leidenserfahrungen Fürst Christians II. von Anhalt-Bernburg (1599-1656) in seinen Tagebüchern und anderen Lebensdokumenten, in: Johann Anselm Steiger (Hg.), Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit, Bd. 2 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 43), Wiesbaden 2005, S. 981-1035.</note> Ein frühes, die Zeit vom 28. Januar bis 5. November 1620 abdeckendes französischsprachiges Tagebuch wurde ihm nach seiner Gefangennahme in der Schlacht am Weißen Berg (8. 11.) von den kaiserlich-ligistischen Siegern abgenommen und bereits 1804 durch den bayerischen Hofbibliothekar Johann Christoph von Aretin publiziert.<note type="footnote">Johann Christoph von Aretin (Hg.): Tagebuch des Prinzen Christian von Anhalt, über die Kriegsvorfälle des Iahres 1620, in: Beyträge zur Geschichte und Literatur, vorzüglich aus den Schätzen der pfalzbairischen Centralbibliothek zu München 2.6 (1804), S. 65-96, 3.1 (1804), S. 49-112, und 3.2 (1804), S. 49-112.</note> Abgesehen von dieser und einigen weiteren wissenschaftlich unbefriedigenden Teil- bzw. Auswahleditionen durch Gottlieb Krause<note type="footnote">Gottlieb Krause (Hg.): Tagebuch Christians des Jüngeren, Fürst zu Anhalt: niedergeschrieben in seiner Haft zu Wien, im Geleite Kaiser Ferdinands des Zweiten zur Vermählungsfeier nach Inspruck, auf dem Reichstage zu Regensburg, und während seiner Reisen und Rasten in Deutschland, Dänemark und Italien, Leipzig 1858.</note>, Max Dittmar<note type="footnote">Max Dittmar: Aus dem Tagebuche des Fürsten Christian des Jüngeren von Anhalt-Bernburg. Aufzeichnungen, die Zerstörung Magdeburgs, die Unterredung des Fürsten Christian mit dem Administrator Christian Wilhelm von Brandenburg und den Entsatz Magdeburgs durch Pappenheim betreffend, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 29 (1894), S. 90-136.</note>, Hermann Wäschke<note type="footnote">Hermann Wäschke: Die Belagerung und Zerstörung Magdeburgs. Tagebuchblätter, in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 41 (1906), S. 318-327; Ders.: Aus dem Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg. Beiträge zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte in der Provinz Sachsen 5 (1908), S. 53-78; Ders.: Eindrücke vom Kurfürstentag zu Regensburg 1630. Auszüge aus dem Tagebuch Christians II. von Anhalt, in: Deutsche Geschichtsblätter 16 (1915), S. 57-76, 103-132 und 147-152.</note> und Reinhold Specht<note type="footnote">Reinhold Specht: Fürst Christians II. von Anhalt Aufenthalt und Reisen 1645 und 1651 im Harz, in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde 71 (1938), S. 117-124.</note> sind ca. 92 Prozent des Tagebuchwerks bis heute unveröffentlicht geblieben. Auch an neuerer Spezialforschung liegen zu ihm lediglich rudimentäre Studien aus dem Umfeld der <ref target="http://www.hab.de/de/home/wissenschaft/projekte/fruchtbringende-gesellschaft---die-deutsche-akademie-des-17-jahrhunderts.html">Akademie-Arbeitsstelle „Fruchtbringende Gesellschaft“</ref> in Wolfenbüttel vor, welche die vielschichtige Aussagekraft dieses Selbstzeugnisses angemessen würdigen und nachdrücklich einen erleichterten Zugang der Wissenschaft zu dieser Quelle empfehlen, den keine noch so breitangelegte Monographie herzustellen vermag.
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<lb/><hi rend="bold">III.</hi> Um diesem Desiderat nach einer kritischen Edition so sachgerecht wie möglich abzuhelfen, sollen neben den digitalen Seitenfaksimiles des Diariums die zu transkribierenden Originaltexte weitestgehend diplomatisch getreu und mit Übersetzung der fremdsprachigen Passagen präsentiert werden. Ein alphabetisches Glossar erleichtert das Verständnis erklärungsbedürftiger Wortformen und -bedeutungen. Alle vom Autor erwähnten Personen, Orte und Körperschaften werden durch eigene Register erfasst, die im Text vorkommenden oder zitierten Dokumente und Werke nach Möglichkeit identifiziert. Unentbehrliche Informationen über die zentralen Kontexte oder durchgängige Themen eines Abschnitts skizzieren kurze Einleitungen für mindestens jeden Tagebuchjahrgang, während sich die so von dieser Aufgabe befreiten Sachkommentare im eigentlichen Text auf ergänzende, unbedingt notwendige Erläuterungen beschränken. Außerdem sieht das Arbeitsprogramm tabellarische und kartographische Itinerare des Fürsten zur Illustration der europäischen Dimension seiner täglichen Notizen vor. Eine solche moderne kritische Erschließung der Handschrift ist zu ihrer fruchtbaren wissenschaftlichen Verwendung unabweisbar, denn nicht ohne Grund hat sich dieses einmalige Selbstzeugnis eines der mindermächtigen deutschen Reichsfürsten bis heute jeder „spontanen“ Verständnis- und Auswertungsbemühung verschlossen, die auf keine verlässliche Kenntnis der geographischen, personellen und historischen Zusammenhänge zurückgreifen kann. Als wichtige Benutzungshilfen dienen nicht zuletzt spezielle Suchmasken für Orte, Personen und den Volltext sowie anschauliches Kartenmaterial für das mehrfach geteilte Fürstentum Anhalt, das Heilige Römische Reich und den europäischen Kontinent in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
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<lb/><hi rend="bold">IV.</hi> Das auf 12 Jahre angelegte DFG-Projekt hat am 1. November 2013 mit einer dreijährigen Pilotphase begonnen, innerhalb welcher zunächst die knapp 1.500 Seiten umfassende Periode vom Januar 1635 bis August 1637 transkribiert und veröffentlicht wurde. Deren besonders dichte und vielseitige Niederschriften stellten ein geeignetes Feld zur Bewährung und Justierung der editorischen Grundsatzentscheidungen hinsichtlich der Wiedergabe und Kommentierungstiefe der Texte in den Grenzen des zeitlich Möglichen dar.
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