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<title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1636-01"
>Einleitung zum Jahrgang 1636</date></title>
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<name>Christian II.</name>
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<surname type="toponymic">Anhalt-Bernburg</surname>
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<surname>Schreiber</surname></persName>
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<resp>Umsetzung der Digitalen Edition von</resp>
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<forename>Marcus</forename>
<surname>Baumgarten</surname>
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<funder>Deutsche Forschungsgemeinschaft</funder>
<principal>Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.</principal>
<principal>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</principal>
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<name type="org">Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</name>
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<date type="digitised" when="2013">2013</date>
<distributor>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</distributor>
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<p>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (<ref
target="http://diglib.hab.de/?link=012">copyright information</ref>)</p>
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<item>work in progress</item>
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<div>
<p>
<hi rend="bold">I.</hi> Das Jahr 1636 bedeutete für Christian II. von
Anhalt-Bernburg und seine Familienangehörigen ganz zweifellos eines der
dramatischsten ihres Lebens. Denn die Kampfhandlungen zwischen dem Bündnissystem
des Prager Friedens und der Krone Schweden verlagerten sich wieder in die
nördliche Reichshälfte, was das Fürstentum Anhalt erneut zu einem der
Schauplätze des Dreißigjährigen Krieges machte. </p>
<p>
<hi rend="bold">II.</hi> Mitte Januar zog eine 100-köpfige schwedische Besatzung
auf Schloss Bernburg ein, die den knapp acht Wochen später aufmarschierenden
acht Regimentern aus kaiserlichen und kursächsischen Soldaten erwartungsgemäß
keinen nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen vermochte. Die fürstliche
Residenz wurde deshalb am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&xml=1636_03.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
>11. März</ref> im Sturm erobert, größtenteils geplündert und somit
vorläufig unbewohnbar. Auf Grund dessen und aus Furcht vor weiteren Gefechten
entschied sich die fürstliche Familie zur Flucht zu ihren Verwandten in
Norddeutschland. Nach einem mehrtägigen Zwischenaufenthalt am Berliner
Kurfürstenhof (<ref
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target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_04_sm&xml=1636_04.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd6">6. 4.</ref>) traf Christian II. am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_04_sm&xml=1636_04.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd13"
>13. April</ref> bei seinem schwerkranken Schwager Herzog Johann Albrecht
II. von Mecklenburg-Güstrow ein, dem er die drei jüngeren Schwestern Sibylla
Elisabeth, Sophia Margaretha und Dorothea Bathilde anvertraute. Seine Gemahlin
Eleonora Sophia und die Kinder brachte der Fürst zehn Tage darauf in Ahrensbök
bei Herzog Joachim Ernst von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön für über ein
Jahr in Sicherheit. Christian II. kehrte dagegen nach Anhalt zurück, mit dessen
übrigen regierenden Fürsten er bei einem Dessauer Treffen vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_05_sm&xml=1636_05.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd24"
>24. Mai</ref> geeignete Maßnahmen gegen die kursächsischen Kriegszumutungen
beriet. Anfang Juni brach der in Geldnöten steckende Anhaltiner nach Weimar auf,
um bei den ernestinischen Herzögen Wilhelm, Albrecht und Ernst die Bezahlung
alter Schulden anzumahnen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Bernburg (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_06_sm&xml=1636_06.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd23">23.</ref>–<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_06_sm&xml=1636_06.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27. 6.</ref>)
reiste er anschließend zum Regensburger Kurfürstentag, wo ihm Kaiser
Ferdinand II. versprach, die anhaltischen Entschädigungsforderungen gegenüber
Kursachsen prinzipiell zu unterstützen. Die übliche Wartezeit überbrückte
Christian II. im August mit einer Trinkkur in Eger. An seinem letzten Kurtag
(<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd26"
>26. 8.</ref>) erinnerte er sich an zwei Träume des Jahres 1632, die ihn vor
jenen acht Monaten gewarnt hatten, welche ein „r“ im Namen führen. Auf mehr als
20 Tagebuchseiten geht der Fürst dieser göttlichen Botschaft nach. Seine Notizen
bilanzieren dabei nicht nur die Gefahren seines bisherigen Lebens und das
vielfach bestätigte Gefährdungspotential des März und November, sondern zählen
auch eine ganze Reihe missgünstiger, betrügerischer und boshafter Schattenmänner
mit der Initiale „R“ auf, die ihm bis dahin schädlich geworden waren oder
zumindest Unannehmlichkeiten bereitet hatten. Der im Eintrag des nächsten Tages
(<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd27"
>27. 8.</ref>) wiedergegebene detaillierte Bericht zweier Egerer Jesuiten
über Einzelheiten des unrühmlichen Endes von Wallenstein (1634) veranlassten ihn
ein weiteres Mal, die Kontingenz des irdischen Daseins zu beklagen und sich so
gut wie möglich dagegen zu wappnen. Da die Unsicherheit der erwogenen
Reiserouten die geplante Rückkehr nach Hause zunächst verhinderte, stattete er
den Herzögen von Sachsen-Altenburg (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd31">31. 8.</ref>–<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&xml=1636_09.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd3">3. 9.</ref>) und der verwitweten
Kurfürstin Hedwig von Sachsen auf Schloss Lichtenburg in Prettin (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&xml=1636_09.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd4">4.</ref>–<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&xml=1636_09.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd6">6. 9.</ref>)
kurze Zwischenvisiten ab. Wieder in Bernburg (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&xml=1636_09.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd12"
>12. 9.</ref>) erwarteten ihn neben den diversen Kriegsfolgen vor allem
administrative Aufgaben und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Um wenigstens einen
Teil seiner finanziellen Außenstände einzutreiben, begab sich Christian II.
gegen Ende September noch einmal nach Weimar. Von dort aus setzte er etwa zwei
Wochen darauf seine Reise nach Regensburg fort, dessen überteuerte
Lebensmittelpreise der Anhaltiner am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_11_sm&xml=1636_11.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
>11. November</ref> mittels einer recht umfangreichen Tabelle dokumentierte.
Bald nach seiner Ankunft (<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_11_sm&xml=1636_11.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd7">7. 11.</ref>) reichte er beim Kaiser gleich mehrere alte und neue Gesuche
ein: 1.) wegen der beanspruchten Kompensation der von kursächsischen Truppen im
Bernburger Teilfürstentum verursachten Kriegsschäden, 2.) wegen der Restitution
der Grafschaft Aschersleben durch das Hochstift Halberstadt („ascanische
Sache“), 3.) wegen der früheren kaiserlichen Zusage eines jährlichen
Gnadengehalts und 4.) wegen der umstrittenen Vormundschaft für seinen Neffen
Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow, von der weiter unten noch die Rede sein
wird. Zur Beförderung seiner Anliegen fuhr der Calvinist Anfang Dezember sogar
nach München, wo ihn Kurfürst Maximilian I. von Bayern großzügig bewirtete. Das
Jahr endete mit Christians Teilnahme an den Regensburger Krönungsfeierlichkeiten
für König Ferdinand III. und dessen Gemahlin Maria Anna, die laut dem für das
Diarium maßgeblichen Julianischen Kalender am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-20_295v"
>20.</ref> bzw. <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-28_315r"
>28. Dezember</ref> stattfanden. </p>
<p>
<hi rend="bold">III.</hi> Die plastische Schilderung des Fürsten von der
Erstürmung und Plünderung seines Bernburger Residenzschlosses vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&xml=1636_03.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
>11. März</ref> stellt ohne jeden Zweifel eine historisch besonders
wertvolle Quelle zur Erfahrung physischer Gewalt im Dreißigjährigen Krieg dar.
Während viele andere Selbstzeugnisse von Zivilisten aus jener Epoche mit ihrem
Detailwissen den Eindruck authentischer Augenzeugenberichte erwecken, obwohl sie
inhaltlich häufig, ja mitunter teilweise wörtlich mit zeitgenössischen
Zeitungstexten übereinstimmen<note type="footnote">Vgl. Geoffrey Mortimer:
Models of Writing in Eyewitness Personal Accounts of the Thirty Years War,
in: Daphnis 29 (2000), S. 634–643.</note>, basiert die hier zu
kommentierende Tagebuchpassage ausschließlich auf unmittelbaren Erlebnissen.
Durch den Beitritt der anhaltischen Fürsten zum Prager Frieden waren die zuvor
verbündeten Schweden ab dem Juni 1635 zu feindlichen Besatzern geworden.<note
type="footnote">Vgl. Hermann Wäschke: Geschichte Anhalts von der Teilung bis
zur Wiedervereinigung (Anhaltische Geschichte, Bd. 3), Köthen 1913, S.
82.</note> Deswegen hatte der schwedische Generalfeldmarschall Johan Banér
seinem oberhalb der Bernburger Bergstadt stationierten Hauptmann Samuel Müller
nicht nur mindestens dreimal schriftlich befohlen, das Schloss um jeden Preis
gegen den heranrückenden Feind zu verteidigen<note type="footnote"
>Tagebucheinträge vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_01_sm&xml=1636_01.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-01-29_46v"
>29.</ref> und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_01_sm&xml=1636_01.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd31"
>31. Januar</ref> sowie <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&xml=1636_03.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-03-06_75r"
>6. März</ref> mit jeweils vollständigen Abschriften der Befehle Banérs
an Müller.</note>, sondern auch Christian II. und seine Familie mehrfach zur
rechtzeitigen Flucht gedrängt.<note type="footnote">Tagebucheinträge vom
<ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_01_sm&xml=1636_01.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-01-21_40v"
>21. Januar</ref>, <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_02_sm&xml=1636_02.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-02-15_62r"
>15. Februar</ref> und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&xml=1636_03.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
>11. März</ref>.</note> Der Fürst, den Müller nicht zu Unrecht als
„gar zu gut Kayserisch“ verdächtigte<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_02_sm&xml=1636_02.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd6"
>6. Februar</ref>.</note>, hoffte jedoch zu lange auf eine unblutige
Lösung und ließ alle Gelegenheiten ungenutzt verstreichen. Als der kursächsische
Generalmajor Sigmund von Wolffersdorff die Schlossbesatzung am <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&xml=1636_03.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
>11. März</ref> zur kampflosen Übergabe aufforderte, bemühte sich Christian
bei beiden Parteien persönlich um die Abwendung des drohenden Angriffs. Einen
Akkord konnte und wollte der auf seine Offiziersehre bedachte schwedische
Kapitän freilich nicht eingehen, bevor die gegnerischen Geschütze wenigstens
eine Bresche in das Gemäuer geschossen hätten. Auf den Abbruch der Verhandlungen
folgte deshalb am Abend die gewaltsame Einnahme der Schlossgebäude, bei der
einige fürstliche Amtsträger und Bedienstete schwer verletzt wurden. Der Fürst
und seine Angehörigen, die sich zu Beginn der Kämpfe in ein Zimmer
eingeschlossen hatten, gerieten ebenso wiederholt in Lebensgefahr, bis der erste
Offizier erschien und „vndt mitt bloßem degen, die dragoner hinauß trieb“. Die
außerhalb dieses Raumes fortgesetzten Plünderungen vermochte aber nicht einmal
Wolffersdorff zu stoppen, weil dies auf riskante Weise das Beuterecht der „im
sturm angefallenen hitzigen Soldaten“ geschmälert hätte. Es verwundert daher
nicht, dass Christian II. über seine Angst und die damaligen Grenzen
militärischer Disziplin in sein Tagebuch notierte: „Wir saßen die gantze Nachtt
in sorgen, denn wenn die offizirer an einem ortt wollten ordre stellen, brachen
die Soldaten, am andern ein, vndt man dorfte die offizirer nicht wol von sich
laßen.“<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&xml=1636_03.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-03-11_83r"
>11. März</ref>.</note>
</p>
<p>
<hi rend="bold">IV.</hi> Eine nähere Betrachtung verdient außerdem die
sommerliche Kur des Fürsten im nordwestböhmischen Eger, dessen heute zu Franzensbad
(Františkovy Lázně) gehörende Mineralquelle bei Schlada (Slatina) in der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts immerhin drei Kaiser, etliche Reichsfürsten und
unzählige andere Adlige frequentierten. Vielfach wurde das berühmte Heilwasser
bereits zu jener Zeit in viereckigen Krügen auch über die Grenzen Böhmens
versandt.<note type="footnote">Vgl. Paul Cartellieri: Geschichtliche Notizen
über den Curort Franzensbad bei Eger, in: Joseph von Löschner (Hg.),
Carlsbad, Marienbad, Franzensbad und ihre Umgebung vom naturhistorischen,
medicinisch-geschichtlichen und therapeutischen Standpunkte (Beiträge zur
Balneologie. Aus den Curorten Böhmens, Bd. 1), Prag/Karlsbad 1863, S.
242–245.</note> Seine für die Geschichte der Medizin sicherlich
hochinteressante, beinahe minutiöse Aufzeichnung der täglichen Anwendungen und
ihrer körperlichen Wirkungen vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd8">8.</ref> bis <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd26">26. August</ref> rechtfertigt Christian II.
gegenüber der künftigen Leserschaft des Diariums mit dem Ziel, „damitt ich mich
inß künftige selber, da ich diese Sawerbrunnen cur öfters gebrauchen sollte,
oder ein ander desto baß [besser] sich darnach richten könne. Denn die cur will
recht gehalten vndt außgewartett sein, will man anderst durch Göttliche
verleyhung, den erwüntzschten zweck, seiner gesundtheitt, erreichen, vndt
vollkömblich erlangen.“<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-08-18_166r"
>18. August</ref>.</note> Dafür empfiehlt er mit „Des Egerischen
Schleder-Sewerlings Beschreibung“ von Matthäus Hörnigk<note type="footnote"
>Matthäus Hörnigk: Des Egerischen Schleder-Sewerlings Beschreibung. Was in
demselben für Mineralien sich erzeigen/ Was für Kräffte darinnen befunden
worden/ und wie solcher nützlichen zu brauchen sey/ Aus Zehenjähriger selbst
eigener Erfahrung verfertiget, Leipzig 1623. Martin Meyer, der Christian II.
damals als Badearzt betreute, fühlte sich durch diese Aufgabe offenbar
dermaßen geehrt, dass er den Fürsten zum Widmungsträger eines ähnlichen,
durch ihn verfassten Buches mit dem Titel „Kurtze Beschreibung deß
Egerischen Schleder-Sawerbrunnens“ machte, welches im darauf folgenden Jahr
1637 bei Wolfgang Endter in Nürnberg erschien.</note> sogar einschlägige
Ratgeberliteratur zur Lektüre. Als Gründe für seine Trinkkur erwähnt der Fürst
primär eine „melancholia hypocondriaca“ (durch Unterleibsverstopfungen
hervorgerufene Schwermut), die ihn „mehr per accidens, wegen vielerley
langwierig außgestandenen vnglücks, alß per se“ befallen habe, ferner die
Vorbeugung gegen Blasensteine sowie seine „hitzige leber“ und zu „viel
galle“.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-08-18_166r"
>18. August</ref>.</note> Jeder längere Kuraufenthalt bot natürlich
ebenso reichlich Gelegenheit zur Geselligkeit und Konversation. So berichtet er
beispielsweise von einigen Gesprächen mit dem kaiserlichen Kämmerer Otto Teufel
und dem Franziskaner Niccolò da Tolentino, bei denen ersterer als
österreichischer Protestant und letzterer als Beichtvater des apostolischen
Nuntius in Wien unter anderem einmal heftig die päpstliche Bündnispolitik
diskutierten.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd10"
>10. August</ref>.</note>
</p>
<p>
<hi rend="bold">V.</hi> Am Ende seiner Sauerwasserkur erfuhr Christian II.
erstmals aus Anhalt, dass seine Schwester Eleonora Maria, die inzwischen
verwitwete Herzogin von Mecklenburg-Güstrow, durch den lutherischen Herzog
Adolph Friedrich von Mecklenburg-Schwerin „gar vbel“ behandelt werde.<note
type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&xml=1636_08.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-08-26_188r"
>26. August</ref>.</note> Ihr calvinistischer Gemahl Johann Albrecht II.
war am 23. April gestorben und hatte zuvor seine Witwe als vormundschaftliche
Regentin für den dreijährigen Erbprinzen Gustav Adolph eingesetzt. Kurfürst
Georg Wilhelm von Brandenburg, Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel und Fürst
Ludwig von Anhalt-Köthen sollten ihr dabei als Mitvormünder desselben
Bekenntnisses zur Seite stehen. Doch Adolph Friedrich ignorierte den letzten
Willen seines toten Bruders und übernahm schon vor der Testamentseröffnung vom
23. Mai die Regierung des Güstrower Landesteils. Von Eleonora Maria forderte er
die Herausgabe des Kindes und die Räumung ihres Residenzschlosses. Diese wehrte
sich und blieb trotz des Verbotes reformierter Gottesdienste, der restriktiven
Eingriffe in ihren Hofstaat und der Vereidigung aller Amtsträger auf den
Schweriner Herzog noch bis 1644 in Güstrow. Parallel hierzu warben beide
Parteien bei Kaiser Ferdinand II. und verschiedenen Reichsständen um
Unterstützung für ihre jeweilige Rechtsposition. Ein früher, auf Initiative des
Herzogs Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg gestarteter Vermittlungsversuch
durch König Christian IV. von Dänemark und Herzog Friedrich III. von
Schleswig-Holstein-Gottorf scheiterte rasch. Zugleich trat ab dem November
Christian II. am Rande des Regensburger Kurfürstentages als Anwalt seiner
jüngeren Schwester auf. Obwohl er „a cause de la Religion“ die Erfolgsaussichten
seiner Fürsprache anfangs eher als gering einschätzte<note type="footnote"
>Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_11_sm&xml=1636_11.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-11-23_252v"
>23. November</ref>.</note>, gelang es ihm seit Dezember gemeinsam mit
dem ehemaligen herzoglich-güstrowischen Rat Johann Milde, den Kaiser und
Reichshofrat von seiner juristischen Bewertung der „mecklenburgischen
Vormundschaftssache“ zu überzeugen. Trotzdem konnte der Konflikt auch im
nächsten Jahr nicht beigelegt werden.<note type="footnote">Vgl. zum Verlauf des
Vormundschaftsstreits die Zusammenfassung bei Klaus Conermann (Hg.): Briefe
der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen. Die Zeit Fürst Ludwigs von
Anhalt-Köthen 1617–1650, Vierter Band: 1637–1638 (Die Deutsche Akademie des
17. Jahrhunderts. Fruchtbringende Gesellschaft, Reihe I, Abteilung A),
Tübingen 2006, S. 215–220.</note>
</p>
<p>
<hi rend="bold">VI.</hi> In erster Linie diente der Kurfürstentag Christian II.
von Anhalt-Bernburg allerdings als überaus wichtige Bühne symbolischer
Repräsentation, die ihn als mindermächtigen Reichsstand viel Kraft kostete.
Nicht allzu glaubhaft achtete er fünf Tage vor der Königskrönung gegenüber dem
Reichserbmarschall Graf Maximilian von Pappenheim „zwar solche vaniteten nicht
groß“, weil ihm der „himmel lieber alß die erde“ sei, doch sobald es „die würde
vndt dignitet vnsers vhralten, königlichen[,] Chur: vndt Fürstlichen hauses,
welches könige, Chur: vndt Fürsten in sich gehabtt“, tangiere, mochte der
Anhaltiner diesem und seiner „posteritet in keinerley wege, præjudiziren“, noch
sich selbst „mitt schimpf etwaß vergeben“.<note type="footnote">Tagebucheintrag
vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-17_287v"
>17. Dezember</ref>.</note> Aus seinem intensiven Bemühen um dynastische
Selbstbehauptung resultierten Rangstreitigkeiten nicht allein mit den Gesandten
der in Regensburg fehlenden Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, sondern
genauso mit einigen der wenigen persönlich anwesenden Standesgenossen. Wie die
meisten Reichsstände missbilligte er ganz grundsätzlich den seit Jahrzehnten zu
beobachtenden politischen Machtzuwachs des Kurkollegs<note type="footnote">Vgl.
den Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd18"
>18. Dezember</ref>: „Puis que je voy; que les Electeurs veulent ainsy
avancer leurs maysons, je m'jmmagine un Triumvirat; quj se rendra puissant
par dessus toutes les autres maysons. Toutesfois la bontè de l'Empereur
pourra remedier a tous ces inconvenients.“</note>, welchen die Regensburger
Wahlkapitulation Ferdinands III. sogar noch verstärkte.<note type="footnote"
>Vgl. Heiner Haan: Der Regensburger Kurfürstentag von 1636/37
(Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte, Bd.
3), Münster 1967, S. 210–219.</note> Als man den kurbrandenburgischen und
kursächsischen Vertretern sowie mit Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg
und Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach zwei nicht regierenden
Fürstensöhnen endgültig den Vorrang über ihn einräumte, protestierte Christian
II. vehement gegen diese Entscheidung des kurfürstlichen Kollegiums, da ihm
fraglich schien, ob er ansonsten weiterhin „bey andern haüsern, alß Pommern,
Mecklenburg[,] Braunschweig, Lünenburgk[,] hollstein, heßen, Baden, Wjrtemberg,
Saxen Lawenburgk, Lottringen, Leüchtemberg &c. würde willkommen sein“.<note
type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-19_294r"
>19. Dezember</ref>.</note> Auf dem Krönungsbankett für König Ferdinand
III. durfte der Anhaltiner dem Kaiser vorschneiden, das Wasser reichen und ein
„gießbecken“ halten, während der Neuburger die prestigeträchtigere
„handtsquehle“ (Serviette) präsentierte.<note type="footnote">Tagebucheintrag
vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-20_296v"
>20. Dezember</ref>.</note> Als dann ein altes Verzeichnis die Fürsten
von Anhalt lediglich als „gefürstete Grafen“ einstufte, hätte er bei den
Krönungsfeierlichkeiten für die Königin selbst beinahe das Mundschenkenamt an
den Landgrafen Maximilian Adam von Leuchtenberg verloren, was aber ein
kaiserliches Machtwort im letzten Moment verhinderte.<note type="footnote"
>Tagebucheinträge vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-27_312v"
>27.</ref> (Zitat) und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-28_314v"
>28. Dezember</ref>.</note> All dem ist zum Schluss noch hinzuzufügen,
dass ein auf Anregung des jungen Pfalzgrafen von Neuburg durch Ferdinand II.
bestelltes Fürstenballett schon wenig später abgesagt werden musste, weil sich
die Beteiligten untereinander nicht auf eine Rangfolge einigen konnten. Die
Schuld schoben die katholischen Fürsten Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg und
Johann Anton von Eggenberg jedoch einzig und allein Christian II. zu, indem sie
behaupteten, die Calvinisten tanzten nicht gern.<note type="footnote"
>Tagebucheinträge vom <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-22_302r"
>22.</ref>, <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-24_306r"
>24.</ref> und <ref
target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&distype=optional&metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&xml=1636_12.xml&xsl=tei-transcript.xsl#hd25"
>25. Dezember</ref> (mit dem Zitat „que les Calvinistes, ne dancent pas
volontiers“).</note>
</p>
</div>
</body>
</text>
</TEI>