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introduction_1636.xml 35.4 KiB
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                <title>Tagebuch des Fürsten Christian II. von Anhalt-Bernburg: <date when="1636-01"
                        >Einleitung zum Jahrgang 1636</date></title>
                <author>
                    <name>Christian II.</name>
                    <nameLink>von</nameLink>
                    <surname type="toponymic">Anhalt-Bernburg</surname>
                </author>
                <!--<respStmt>
                    <resp>geschrieben von</resp>
                    <persName>
                        <forename>Arndt</forename>
                        <surname>Schreiber</surname></persName>
                </respStmt>-->
                <respStmt>
                    <resp>Umsetzung der Digitalen Edition von</resp>
                    <persName>
                        <forename>Marcus</forename>
                        <surname>Baumgarten</surname>
                    </persName>
                </respStmt>
                <funder>Deutsche Forschungsgemeinschaft</funder>
                <principal>Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der
                    Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.</principal>
                <principal>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</principal>
            </titleStmt>
            <publicationStmt>
                <publisher>
                    <name type="org">Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</name>
                    <ptr target="http://www.hab.de"/>
                </publisher>
                <date type="digitised" when="2013">2013</date>
                <distributor>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel</distributor>
                <availability status="restricted">
                    <p>Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (<ref
                            target="http://diglib.hab.de/?link=012">copyright information</ref>)</p>
                </availability>
            </publicationStmt>
            <sourceDesc>
                <p> </p>

            </sourceDesc>
        </fileDesc>
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            <list>
                <item>work in progress</item>
            </list>
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        <!--<revisionDesc status="published">
                <change></change>
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    </teiHeader>
    <text>
        <body>
            <div>
                <p>
                    <hi rend="bold">I.</hi> Das Jahr 1636 bedeutete für Christian II. von
                    Anhalt-Bernburg und seine Familienangehörigen ganz zweifellos eines der
                    dramatischsten ihres Lebens. Denn die Kampfhandlungen zwischen dem Bündnissystem
                    des Prager Friedens und der Krone Schweden verlagerten sich wieder in die
                    nördliche Reichshälfte, was das Fürstentum Anhalt erneut zu einem der
                    Schauplätze des Dreißigjährigen Krieges machte. </p>
                <p>
                    <hi rend="bold">II.</hi> Mitte Januar zog eine 100-köpfige schwedische Besatzung
                    auf Schloss Bernburg ein, die den knapp acht Wochen später aufmarschierenden
                    acht Regimentern aus kaiserlichen und kursächsischen Soldaten erwartungsgemäß
                    keinen nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen vermochte. Die fürstliche
                    Residenz wurde deshalb am <ref
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                        >11. März</ref> im Sturm erobert, größtenteils geplündert und somit
                    vorläufig unbewohnbar. Auf Grund dessen und aus Furcht vor weiteren Gefechten
                    entschied sich die fürstliche Familie zur Flucht zu ihren Verwandten in
                    Norddeutschland. Nach einem mehrtägigen Zwischenaufenthalt am Berliner
                    Kurfürstenhof (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&amp;xml=1636_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27. 3.</ref><ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_04_sm&amp;xml=1636_04.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd6">6. 4.</ref>) traf Christian II. am <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_04_sm&amp;xml=1636_04.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd13"
                        >13. April</ref> bei seinem schwerkranken Schwager Herzog Johann Albrecht
                    II. von Mecklenburg-Güstrow ein, dem er die drei jüngeren Schwestern Sibylla
                    Elisabeth, Sophia Margaretha und Dorothea Bathilde anvertraute. Seine Gemahlin
                    Eleonora Sophia und die Kinder brachte der Fürst zehn Tage darauf in Ahrensbök
                    bei Herzog Joachim Ernst von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Plön für über ein
                    Jahr in Sicherheit. Christian II. kehrte dagegen nach Anhalt zurück, mit dessen
                    übrigen regierenden Fürsten er bei einem Dessauer Treffen vom <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_05_sm&amp;xml=1636_05.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd24"
                        >24. Mai</ref> geeignete Maßnahmen gegen die kursächsischen Kriegszumutungen
                    beriet. Anfang Juni brach der in Geldnöten steckende Anhaltiner nach Weimar auf,
                    um bei den ernestinischen Herzögen Wilhelm, Albrecht und Ernst die Bezahlung
                    alter Schulden anzumahnen. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Bernburg (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_06_sm&amp;xml=1636_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd23">23.</ref><ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_06_sm&amp;xml=1636_06.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27">27. 6.</ref>) 
                    reiste er anschließend zum Regensburger Kurfürstentag, wo ihm Kaiser
                    Ferdinand II. versprach, die anhaltischen Entschädigungsforderungen gegenüber
                    Kursachsen prinzipiell zu unterstützen. Die übliche Wartezeit überbrückte
                    Christian II. im August mit einer Trinkkur in Eger. An seinem letzten Kurtag
                        (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd26"
                        >26. 8.</ref>) erinnerte er sich an zwei Träume des Jahres 1632, die ihn vor
                    jenen acht Monaten gewarnt hatten, welche ein „r“ im Namen führen. Auf mehr als
                    20 Tagebuchseiten geht der Fürst dieser göttlichen Botschaft nach. Seine Notizen
                    bilanzieren dabei nicht nur die Gefahren seines bisherigen Lebens und das
                    vielfach bestätigte Gefährdungspotential des März und November, sondern zählen
                    auch eine ganze Reihe missgünstiger, betrügerischer und boshafter Schattenmänner
                    mit der Initiale „R“ auf, die ihm bis dahin schädlich geworden waren oder
                    zumindest Unannehmlichkeiten bereitet hatten. Der im Eintrag des nächsten Tages
                        (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd27"
                        >27. 8.</ref>) wiedergegebene detaillierte Bericht zweier Egerer Jesuiten
                    über Einzelheiten des unrühmlichen Endes von Wallenstein (1634) veranlassten ihn
                    ein weiteres Mal, die Kontingenz des irdischen Daseins zu beklagen und sich so
                    gut wie möglich dagegen zu wappnen. Da die Unsicherheit der erwogenen
                    Reiserouten die geplante Rückkehr nach Hause zunächst verhinderte, stattete er
                    den Herzögen von Sachsen-Altenburg (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd31">31. 8.</ref><ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&amp;xml=1636_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd3">3. 9.</ref>) und der verwitweten
                    Kurfürstin Hedwig von Sachsen auf Schloss Lichtenburg in Prettin (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&amp;xml=1636_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd4">4.</ref><ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&amp;xml=1636_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd6">6. 9.</ref>)
                    kurze Zwischenvisiten ab. Wieder in Bernburg (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_09_sm&amp;xml=1636_09.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd12"
                        >12. 9.</ref>) erwarteten ihn neben den diversen Kriegsfolgen vor allem
                    administrative Aufgaben und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Um wenigstens einen
                    Teil seiner finanziellen Außenstände einzutreiben, begab sich Christian II.
                    gegen Ende September noch einmal nach Weimar. Von dort aus setzte er etwa zwei
                    Wochen darauf seine Reise nach Regensburg fort, dessen überteuerte
                    Lebensmittelpreise der Anhaltiner am <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_11_sm&amp;xml=1636_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
                        >11. November</ref> mittels einer recht umfangreichen Tabelle dokumentierte.
                    Bald nach seiner Ankunft (<ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_11_sm&amp;xml=1636_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd7">7. 11.</ref>) reichte er beim Kaiser gleich mehrere alte und neue Gesuche
                    ein: 1.) wegen der beanspruchten Kompensation der von kursächsischen Truppen im
                    Bernburger Teilfürstentum verursachten Kriegsschäden, 2.) wegen der Restitution
                    der Grafschaft Aschersleben durch das Hochstift Halberstadt („ascanische
                    Sache“), 3.) wegen der früheren kaiserlichen Zusage eines jährlichen
                    Gnadengehalts und 4.) wegen der umstrittenen Vormundschaft für seinen Neffen
                    Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow, von der weiter unten noch die Rede sein
                    wird. Zur Beförderung seiner Anliegen fuhr der Calvinist Anfang Dezember sogar
                    nach München, wo ihn Kurfürst Maximilian I. von Bayern großzügig bewirtete. Das
                    Jahr endete mit Christians Teilnahme an den Regensburger Krönungsfeierlichkeiten
                    für König Ferdinand III. und dessen Gemahlin Maria Anna, die laut dem für das
                    Diarium maßgeblichen Julianischen Kalender am <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-20_295v"
                        >20.</ref> bzw. <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-28_315r"
                        >28. Dezember</ref> stattfanden. </p>
                <p>
                    <hi rend="bold">III.</hi> Die plastische Schilderung des Fürsten von der
                    Erstürmung und Plünderung seines Bernburger Residenzschlosses vom <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&amp;xml=1636_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
                        >11. März</ref> stellt ohne jeden Zweifel eine historisch besonders
                    wertvolle Quelle zur Erfahrung physischer Gewalt im Dreißigjährigen Krieg dar.
                    Während viele andere Selbstzeugnisse von Zivilisten aus jener Epoche mit ihrem
                    Detailwissen den Eindruck authentischer Augenzeugenberichte erwecken, obwohl sie
                    inhaltlich häufig, ja mitunter teilweise wörtlich mit zeitgenössischen
                    Zeitungstexten übereinstimmen<note type="footnote">Vgl. Geoffrey Mortimer:
                        Models of Writing in Eyewitness Personal Accounts of the Thirty Years War,
                        in: Daphnis 29 (2000), S. 634–643.</note>, basiert die hier zu
                    kommentierende Tagebuchpassage ausschließlich auf unmittelbaren Erlebnissen.
                    Durch den Beitritt der anhaltischen Fürsten zum Prager Frieden waren die zuvor
                    verbündeten Schweden ab dem Juni 1635 zu feindlichen Besatzern geworden.<note
                        type="footnote">Vgl. Hermann Wäschke: Geschichte Anhalts von der Teilung bis
                        zur Wiedervereinigung (Anhaltische Geschichte, Bd. 3), Köthen 1913, S.
                        82.</note> Deswegen hatte der schwedische Generalfeldmarschall Johan Banér
                    seinem oberhalb der Bernburger Bergstadt stationierten Hauptmann Samuel Müller
                    nicht nur mindestens dreimal schriftlich befohlen, das Schloss um jeden Preis
                    gegen den heranrückenden Feind zu verteidigen<note type="footnote"
                        >Tagebucheinträge vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_01_sm&amp;xml=1636_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-01-29_46v"
                            >29.</ref> und <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_01_sm&amp;xml=1636_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd31"
                            >31. Januar</ref> sowie <ref
                                target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&amp;xml=1636_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-03-06_75r"
                            >6. März</ref> mit jeweils vollständigen Abschriften der Befehle Banérs
                        an Müller.</note>, sondern auch Christian II. und seine Familie mehrfach zur
                    rechtzeitigen Flucht gedrängt.<note type="footnote">Tagebucheinträge vom
                        <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_01_sm&amp;xml=1636_01.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-01-21_40v"
                            >21. Januar</ref>, <ref
                                target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_02_sm&amp;xml=1636_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-02-15_62r"
                                >15. Februar</ref> und <ref
                                    target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&amp;xml=1636_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
                                    >11. März</ref>.</note> Der Fürst, den Müller nicht zu Unrecht als
                    „gar zu gut Kayserisch“ verdächtigte<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_02_sm&amp;xml=1636_02.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd6"
                        >6. Februar</ref>.</note>, hoffte jedoch zu lange auf eine unblutige
                    Lösung und ließ alle Gelegenheiten ungenutzt verstreichen. Als der kursächsische
                    Generalmajor Sigmund von Wolffersdorff die Schlossbesatzung am <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&amp;xml=1636_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd11"
                        >11. März</ref> zur kampflosen Übergabe aufforderte, bemühte sich Christian
                    bei beiden Parteien persönlich um die Abwendung des drohenden Angriffs. Einen
                    Akkord konnte und wollte der auf seine Offiziersehre bedachte schwedische
                    Kapitän freilich nicht eingehen, bevor die gegnerischen Geschütze wenigstens
                    eine Bresche in das Gemäuer geschossen hätten. Auf den Abbruch der Verhandlungen
                    folgte deshalb am Abend die gewaltsame Einnahme der Schlossgebäude, bei der
                    einige fürstliche Amtsträger und Bedienstete schwer verletzt wurden. Der Fürst
                    und seine Angehörigen, die sich zu Beginn der Kämpfe in ein Zimmer
                    eingeschlossen hatten, gerieten ebenso wiederholt in Lebensgefahr, bis der erste
                    Offizier erschien und „vndt mitt bloßem degen, die dragoner hinauß trieb“. Die
                    außerhalb dieses Raumes fortgesetzten Plünderungen vermochte aber nicht einmal
                    Wolffersdorff zu stoppen, weil dies auf riskante Weise das Beuterecht der „im
                    sturm angefallenen hitzigen Soldaten“ geschmälert hätte. Es verwundert daher
                    nicht, dass Christian II. über seine Angst und die damaligen Grenzen
                    militärischer Disziplin in sein Tagebuch notierte: „Wir saßen die gantze Nachtt
                    in sorgen, denn wenn die offizirer an einem ortt wollten ordre stellen, brachen
                    die Soldaten, am andern ein, vndt man dorfte die offizirer nicht wol von sich
                        laßen.“<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_03_sm&amp;xml=1636_03.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-03-11_83r"
                            >11. März</ref>.</note>
                </p>
                <p>
                    <hi rend="bold">IV.</hi> Eine nähere Betrachtung verdient außerdem die
                    sommerliche Kur des Fürsten im nordwestböhmischen Eger, dessen heute zu Franzensbad
                    (Františkovy Lázně) gehörende Mineralquelle bei Schlada (Slatina) in der ersten
                    Hälfte des 17. Jahrhunderts immerhin drei Kaiser, etliche Reichsfürsten und
                    unzählige andere Adlige frequentierten. Vielfach wurde das berühmte Heilwasser
                    bereits zu jener Zeit in viereckigen Krügen auch über die Grenzen Böhmens
                        versandt.<note type="footnote">Vgl. Paul Cartellieri: Geschichtliche Notizen
                        über den Curort Franzensbad bei Eger, in: Joseph von Löschner (Hg.),
                        Carlsbad, Marienbad, Franzensbad und ihre Umgebung vom naturhistorischen,
                        medicinisch-geschichtlichen und therapeutischen Standpunkte (Beiträge zur
                        Balneologie. Aus den Curorten Böhmens, Bd. 1), Prag/Karlsbad 1863, S.
                        242–245.</note> Seine für die Geschichte der Medizin sicherlich
                    hochinteressante, beinahe minutiöse Aufzeichnung der täglichen Anwendungen und
                    ihrer körperlichen Wirkungen vom <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd8">8.</ref> bis <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd26">26. August</ref> rechtfertigt Christian II.
                    gegenüber der künftigen Leserschaft des Diariums mit dem Ziel, „damitt ich mich
                    inß künftige selber, da ich diese Sawerbrunnen cur öfters gebrauchen sollte,
                    oder ein ander desto baß [besser] sich darnach richten könne. Denn die cur will
                    recht gehalten vndt außgewartett sein, will man anderst durch Göttliche
                    verleyhung, den erwüntzschten zweck, seiner gesundtheitt, erreichen, vndt
                    vollkömblich erlangen.“<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                        target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-08-18_166r"
                        >18. August</ref>.</note> Dafür empfiehlt er mit „Des Egerischen
                    Schleder-Sewerlings Beschreibung“ von Matthäus Hörnigk<note type="footnote"
                        >Matthäus Hörnigk: Des Egerischen Schleder-Sewerlings Beschreibung. Was in
                        demselben für Mineralien sich erzeigen/ Was für Kräffte darinnen befunden
                        worden/ und wie solcher nützlichen zu brauchen sey/ Aus Zehenjähriger selbst
                        eigener Erfahrung verfertiget, Leipzig 1623. Martin Meyer, der Christian II.
                        damals als Badearzt betreute, fühlte sich durch diese Aufgabe offenbar
                        dermaßen geehrt, dass er den Fürsten zum Widmungsträger eines ähnlichen,
                        durch ihn verfassten Buches mit dem Titel „Kurtze Beschreibung deß
                        Egerischen Schleder-Sawerbrunnens“ machte, welches im darauf folgenden Jahr
                        1637 bei Wolfgang Endter in Nürnberg erschien.</note> sogar einschlägige
                    Ratgeberliteratur zur Lektüre. Als Gründe für seine Trinkkur erwähnt der Fürst
                    primär eine „melancholia hypocondriaca“ (durch Unterleibsverstopfungen
                    hervorgerufene Schwermut), die ihn „mehr per accidens, wegen vielerley
                    langwierig außgestandenen vnglücks, alß per se“ befallen habe, ferner die
                    Vorbeugung gegen Blasensteine sowie seine „hitzige leber“ und zu „viel
                        galle“.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-08-18_166r"
                            >18. August</ref>.</note> Jeder längere Kuraufenthalt bot natürlich
                    ebenso reichlich Gelegenheit zur Geselligkeit und Konversation. So berichtet er
                    beispielsweise von einigen Gesprächen mit dem kaiserlichen Kämmerer Otto Teufel
                    und dem Franziskaner Niccolò da Tolentino, bei denen ersterer als
                    österreichischer Protestant und letzterer als Beichtvater des apostolischen
                    Nuntius in Wien unter anderem einmal heftig die päpstliche Bündnispolitik
                        diskutierten.<note type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd10"
                            >10. August</ref>.</note>
                </p>
                <p>
                    <hi rend="bold">V.</hi> Am Ende seiner Sauerwasserkur erfuhr Christian II.
                    erstmals aus Anhalt, dass seine Schwester Eleonora Maria, die inzwischen
                    verwitwete Herzogin von Mecklenburg-Güstrow, durch den lutherischen Herzog
                    Adolph Friedrich von Mecklenburg-Schwerin „gar vbel“ behandelt werde.<note
                        type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_08_sm&amp;xml=1636_08.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-08-26_188r"
                            >26. August</ref>.</note> Ihr calvinistischer Gemahl Johann Albrecht II.
                    war am 23. April gestorben und hatte zuvor seine Witwe als vormundschaftliche
                    Regentin für den dreijährigen Erbprinzen Gustav Adolph eingesetzt. Kurfürst
                    Georg Wilhelm von Brandenburg, Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel und Fürst
                    Ludwig von Anhalt-Köthen sollten ihr dabei als Mitvormünder desselben
                    Bekenntnisses zur Seite stehen. Doch Adolph Friedrich ignorierte den letzten
                    Willen seines toten Bruders und übernahm schon vor der Testamentseröffnung vom
                    23. Mai die Regierung des Güstrower Landesteils. Von Eleonora Maria forderte er
                    die Herausgabe des Kindes und die Räumung ihres Residenzschlosses. Diese wehrte
                    sich und blieb trotz des Verbotes reformierter Gottesdienste, der restriktiven
                    Eingriffe in ihren Hofstaat und der Vereidigung aller Amtsträger auf den
                    Schweriner Herzog noch bis 1644 in Güstrow. Parallel hierzu warben beide
                    Parteien bei Kaiser Ferdinand II. und verschiedenen Reichsständen um
                    Unterstützung für ihre jeweilige Rechtsposition. Ein früher, auf Initiative des
                    Herzogs Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg gestarteter Vermittlungsversuch
                    durch König Christian IV. von Dänemark und Herzog Friedrich III. von
                    Schleswig-Holstein-Gottorf scheiterte rasch. Zugleich trat ab dem November
                    Christian II. am Rande des Regensburger Kurfürstentages als Anwalt seiner
                    jüngeren Schwester auf. Obwohl er „a cause de la Religion“ die Erfolgsaussichten
                    seiner Fürsprache anfangs eher als gering einschätzte<note type="footnote"
                        >Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_11_sm&amp;xml=1636_11.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-11-23_252v"
                            >23. November</ref>.</note>, gelang es ihm seit Dezember gemeinsam mit
                    dem ehemaligen herzoglich-güstrowischen Rat Johann Milde, den Kaiser und
                    Reichshofrat von seiner juristischen Bewertung der „mecklenburgischen
                    Vormundschaftssache“ zu überzeugen. Trotzdem konnte der Konflikt auch im
                    nächsten Jahr nicht beigelegt werden.<note type="footnote">Vgl. zum Verlauf des
                        Vormundschaftsstreits die Zusammenfassung bei Klaus Conermann (Hg.): Briefe
                        der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen. Die Zeit Fürst Ludwigs von
                        Anhalt-Köthen 1617–1650, Vierter Band: 1637–1638 (Die Deutsche Akademie des
                        17. Jahrhunderts. Fruchtbringende Gesellschaft, Reihe I, Abteilung A),
                        Tübingen 2006, S. 215–220.</note>
                </p>
                <p>
                    <hi rend="bold">VI.</hi> In erster Linie diente der Kurfürstentag Christian II.
                    von Anhalt-Bernburg allerdings als überaus wichtige Bühne symbolischer
                    Repräsentation, die ihn als mindermächtigen Reichsstand viel Kraft kostete.
                    Nicht allzu glaubhaft achtete er fünf Tage vor der Königskrönung gegenüber dem
                    Reichserbmarschall Graf Maximilian von Pappenheim „zwar solche vaniteten nicht
                    groß“, weil ihm der „himmel lieber alß die erde“ sei, doch sobald es „die würde
                    vndt dignitet vnsers vhralten, königlichen[,] Chur: vndt Fürstlichen hauses,
                    welches könige, Chur: vndt Fürsten in sich gehabtt“, tangiere, mochte der
                    Anhaltiner diesem und seiner „posteritet in keinerley wege, præjudiziren“, noch
                    sich selbst „mitt schimpf etwaß vergeben“.<note type="footnote">Tagebucheintrag
                        vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-17_287v"
                            >17. Dezember</ref>.</note> Aus seinem intensiven Bemühen um dynastische
                    Selbstbehauptung resultierten Rangstreitigkeiten nicht allein mit den Gesandten
                    der in Regensburg fehlenden Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, sondern
                    genauso mit einigen der wenigen persönlich anwesenden Standesgenossen. Wie die
                    meisten Reichsstände missbilligte er ganz grundsätzlich den seit Jahrzehnten zu
                    beobachtenden politischen Machtzuwachs des Kurkollegs<note type="footnote">Vgl.
                        den Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd18"
                            >18. Dezember</ref>: „Puis que je voy; que les Electeurs veulent ainsy
                        avancer leurs maysons, je m'jmmagine un Triumvirat; quj se rendra puissant
                        par dessus toutes les autres maysons. Toutesfois la bontè de l'Empereur
                        pourra remedier a tous ces inconvenients.“</note>, welchen die Regensburger
                    Wahlkapitulation Ferdinands III. sogar noch verstärkte.<note type="footnote"
                        >Vgl. Heiner Haan: Der Regensburger Kurfürstentag von 1636/37
                        (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte, Bd.
                        3), Münster 1967, S. 210–219.</note> Als man den kurbrandenburgischen und
                    kursächsischen Vertretern sowie mit Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg
                    und Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach zwei nicht regierenden
                    Fürstensöhnen endgültig den Vorrang über ihn einräumte, protestierte Christian
                    II. vehement gegen diese Entscheidung des kurfürstlichen Kollegiums, da ihm
                    fraglich schien, ob er ansonsten weiterhin „bey andern haüsern, alß Pommern,
                    Mecklenburg[,] Braunschweig, Lünenburgk[,] hollstein, heßen, Baden, Wjrtemberg,
                    Saxen Lawenburgk, Lottringen, Leüchtemberg &amp;c. würde willkommen sein“.<note
                        type="footnote">Tagebucheintrag vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-19_294r"
                            >19. Dezember</ref>.</note> Auf dem Krönungsbankett für König Ferdinand
                    III. durfte der Anhaltiner dem Kaiser vorschneiden, das Wasser reichen und ein
                    „gießbecken“ halten, während der Neuburger die prestigeträchtigere
                    „handtsquehle“ (Serviette) präsentierte.<note type="footnote">Tagebucheintrag
                        vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-20_296v"
                            >20. Dezember</ref>.</note> Als dann ein altes Verzeichnis die Fürsten
                    von Anhalt lediglich als „gefürstete Grafen“ einstufte, hätte er bei den
                    Krönungsfeierlichkeiten für die Königin selbst beinahe das Mundschenkenamt an
                    den Landgrafen Maximilian Adam von Leuchtenberg verloren, was aber ein
                    kaiserliches Machtwort im letzten Moment verhinderte.<note type="footnote"
                        >Tagebucheinträge vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-27_312v"
                            >27.</ref> (Zitat) und <ref
                                target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-28_314v"
                            >28. Dezember</ref>.</note> All dem ist zum Schluss noch hinzuzufügen,
                    dass ein auf Anregung des jungen Pfalzgrafen von Neuburg durch Ferdinand II.
                    bestelltes Fürstenballett schon wenig später abgesagt werden musste, weil sich
                    die Beteiligten untereinander nicht auf eine Rangfolge einigen konnten. Die
                    Schuld schoben die katholischen Fürsten Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg und
                    Johann Anton von Eggenberg jedoch einzig und allein Christian II. zu, indem sie
                    behaupteten, die Calvinisten tanzten nicht gern.<note type="footnote"
                        >Tagebucheinträge vom <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-22_302r"
                            >22.</ref>, <ref
                                target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#1636-12-24_306r"
                            >24.</ref> und <ref
                            target="http://diglib.hab.de/content.php?dir=edoc/ed000228&amp;distype=optional&amp;metsID=edoc_ed000228_fg_1636_12_sm&amp;xml=1636_12.xml&amp;xsl=tei-transcript.xsl#hd25"
                            >25. Dezember</ref> (mit dem Zitat „que les Calvinistes, ne dancent pas
                        volontiers“).</note>
                </p>
            </div>
        </body>
    </text>
</TEI>